: Wenn Männer in die Ferne schweifen
■ Wer wird wie Sextourist und warum? Gesundheitsforum klärt über Hintergründe auf
Der Urlaub, der hat gefälligst schon bei der Abreise zu beginnen. Ist das klar? oto: Herve Maillet
Wer lesen kann, versteht die dezenten Andeutungen im Reiseprospekt: beim „kinderfreundlichen Mittelklasseressort, bestens geeignet für ruhigen und legeren Beach-Urlaub mit der ganzen Familie“ halten sich alleinreisende Männer, die in Malaysia was erleben wollen, eher zurück. Mit dem Massentourismus in Dritte-Welt-Länder kamen die Bumsbomber, von denen in Deutschland und in den Bestimmungsländern ganze In
hier bitte
der Fotograf
mit der Frau
dustriezweige leben.
Auf die Zusammenhänge zwischen Fernreisen, Prostitution und Frauenhandel will das Gesundheitsforum mit einer Veranstaltungsreihe aufmerksam machen. „Wir wollen nicht moralisieren“, sagt Ulla Voigt, die Leiterin des Bereichs Frauen und Gesundheit bei der Volkshochschule. Und vor allem möchte sie „weg vom Klischee des verklemmten Mannes oder des Macho mit Goldkettchen“, das da sagt, daß Männer nach Thailand fahren, weil sie Angst vor deutschen Frauen haben. Sextourist könne auch „der ganz
normale Mann“ werden, selbst Rucksacktouristen rutschten leicht in diese Rolle hinein. „Viele machen sich vor, das sei Liebe und merken gar nicht, wie sie schon zum Rädchen in der Prostitutions-Tourismus-Industrie geworden sind.“ Urlaubsstimmung, der Reiz des Exotischen, der Ausbruch aus der Alltagswelt, hinzu komme das Gefühl, „ein kleiner König zu sein“, weil das Geld auf einmal viel mehr wert ist — wie leicht läßt sich da die Wirklichkeit verdrängen: die Ausbeutung der Dritte- Welt-Länder durch den Tourismus und die Abhängigkeit der Frauen von der Prostitution.
Heinz-Jochen Zenker vom Hauptgesundheitsamt, der die Veranstaltungsreihe mit organisiert hat, unternimmt einen kleinen Ausflug in die Psyche eines Freiers: „Das ist ganz anders als der Freier, der für drei Stunden aus Verden nach Bremen fährt und hier jederzeit erkannt werden kann. Die sind drei Wochen dort und haben einen hohen Schutz an Anonymität — das ist wie ins Kino gehen.“ Doch „was Männer wirklich bewegt“, warum Familienväter dort auch Sex mit Kindern wollen, bleibt dem Mediziner trotz seiner psychoanalytischen Kenntnisse „eines der größten Rätsel“. Ulla Voigt warnt: „Es ist naiv zu glauben, je jünger die Prostituierten sind, desto geringer ist das Ansteckungsrisiko.“
Mit ihrer Veranstaltungsreihe wollen die VeranstalterInnen aber nicht die Angst vor AIDS schüren, sondern darauf hinweisen, daß das Verhalten, das von den Männern in die Länder getragen wird, das Elend noch verschlimmert. Ulla Voigt: „Die Männer, die in solche Situationen reinschliddern, müssen rationaler damit umgehen.“ dir
Heute, 20 Uhr im Überseemuseum: Podiumsdiskussion zum Thema „Was treibt Männer in die Ferne? „. Auf dem Podium: Dieter Kleiber, Psychologe und AIDS-Forscher; Elvira Niesner, Diplom-Soziologin; Angelika Gardiner, Journalistin; Helmut Jäger, Arzt
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