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Häftlinge müssen Müllberg vergrößern

■ Statt Pfandflaschen gibt es im Knast nur noch Dosen

Berlin. Die Häftlinge in der Justizvollzugsanstalt Düppel in Lichterfelde müssen ihre Cola seit dem 1. Oktober aus Einwegdosen trinken und dafür überdies 20 Pfennig mehr bezahlen als noch im September. Grund für die Umstellung der Automaten von Pfandflaschen auf Dosen ist ein Generalvertrag der Senatsverwaltung Justiz mit Kurt Naujoks, einem Unternehmer, der seine Getränkeautomaten nur mit Dosen betreibt.

In der Lesart des Unternehmers Naujoks war es hingegen die Senatsverwaltung, die ihn ermunterte, seine Rechte aus dem Generalvertrag auch in Düppel wahrzunehmen. Das Interesse der Verwaltung sei es gewesen, dem kostspieligen Schwund an Pfandflaschen Einhalt zu gebieten. Auch wolle sie eine bessere Kontrolle über die geschäftliche Abwicklung des Automatengeschäfts erwirken und darum alle Automaten innerhalb ihres Bereiches in einer Hand wissen. Eine Neueinführung der umweltschädlichen Getränkedosen, verstößt jedoch gegen die „Allgemeine Anweisung über die Beschaffung umweltfreundlicher Produkte und Materialien“, die bereits seit 1987 die Dienststellen des Landes Berlin verpflichtet, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Umweltbelange zu berücksichtigen und sogar Ermittlungen darüber anzustellen, welche Leistungen umweltfreundlicher angeboten werden.

„Ein derber Schuh“, schimpft der Häftling Andres Kreisel auf den Automatenaufsteller Naujoks und die Senatsverwaltung Justiz. 1.800 Flaschen pro Monat im Schnitt trinken die 65 Gefangenen im Freigängerhaus von Lichterfelde, Flaschen, die bisher von Coca-Cola direkt gebracht und — vor allem — auch wieder abgeholt wurden.

Die neuen Dosen dagegen landen im Hausmüll, für dessen Entsorgung die Justizverwaltung mit 576,70 Mark pro Quartal und Container aufkommen muß. Welchen Anteil die zusätzlichen 1.800 Dosen darin haben werden, fragen sich Insassen und Anstaltsleitung von Düppel-Lichterfelde. Trinken die Häftlinge von Düppel-Lichterfelde weiter soviel wie bisher, werden es zusätzlich rund 735 Kilogramm Weißblech sein, die jährlich auf Berlins Müllhalden landen.

„Eine ökologische Sauerei und sozial verantwortungslos“, so bezeichnete Albert Eckert, Senatsabgeordneter der Fraktion Bündnis 90/ Grüne den Vorgang in der JVA Düppel, denn 20 Pfennige mehr für eine Cola sind viel, wenn der Tagesverdienst acht Mark beträgt. Die Vollzugsbeamten sehen ihre Bemühungen um umweltgerechtes Verhalten ins Lächerliche gezogen, hatten sie sich doch zusammen mit den Gefangenen dafür eingesetzt, auch im Knast Abfalltrennung zu praktizieren, hatten Batterien und Flaschen separat gesammelt. Veranlaßt durch die Nachfrage der taz, hat Justizsenatorin Limbach (SPD) nun eine Überprüfung des Generalvertrags mit Naujoks angeordnet. Stephan Elsemann

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