Fehlgeburten bei Chip-Produzentinnen

Eine US-amerikanische Studie weist auf Gefahren der Chip-Produktion hin/ Auch bei Siemens werden die gefährlichen Chemikalien noch eingesetzt  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — Die Produktion von Chips in modernen Computerfabriken ist nicht so klinisch rein und gefahrlos, wie die Industrie gerne glauben machen will. Wissenschaftler der John-Hopkins- Universität im US-amerikanischen Baltimore fanden bei einer Langzeituntersuchung für den Computergiganten IBM eine Verdoppelung der Fehlgeburten bei Frauen, die mit zwei in der Industrie gebräuchlichen Lösungsmitteln in Kontakt gekommen waren. IBM warnt daraufhin die eigenen Mitarbeiterinnen und die amerikanische Konkurrenz vor den Chemikalien.

Die offenbar giftigen Stoffe Diethylen-Glykoldimethylester und Ethylen-Glykolmonoethyl- Etheracetat finden auch in der deutschen Computerindustrie Verwendung. Siemens-Sprecher Klaus Knapp hält die Warnungen des weltgrößten Computerproduzenten IBM allerdings für verfehlt. „Die Herren irren sich“, sagte Knapp und wies auf Siemens-eigene Untersuchungen hin. „Wir haben seit Jahren Urin, Blut und Genuntersuchungen vorgenommen und haben keine Abweichungen zur normalen Bevölkerung gefunden“, so Knapp.

Schon seit 1988 hat sich Siemens auch mit der Möglichkeit von Fehlgeburten bei Frauen in der Chip- Produktion beschäftigt. Man wisse, daß die Chemikalien nicht so wahnsinnig gesund seien, hieß es bei der Konzernzentrale in München. Der Verbrauch sei deutlich reduziert worden. Dennoch hält man an dem Stoff fest: „Unsere Ergebnisse sind andere“, gibt der zuständige Werksarzt, Dr. Roos, die hausinternen Untersuchungsergebnisse wieder.

Konkurrent Motorola nutzt die Chemikalien noch in seinen alten europäischen Chip-Fabriken, in der neueren habe man darauf verzichtet, so Firmensprecher Tobias Thümmler gestern. Mitarbeiterinnen aus diesem Bereich würden auf Wunsch zeitweilig versetzt.

Die beiden Lösungsmittel, die auch in der Luftfahrtindustrie eingesetzt werden, gehören nach Auskunft von Reimar Roll aus dem Bundesgesundheitsamt zu einer Stoffklasse, die seit Jahren im Verdacht steht, ein erhöhtes Risiko für schwangere Frauen darzustellen. Allerdings beruhten die Verdachtsmomente bislang allein auf Tierversuchen, so Roll. Die Chemikalien seien nicht in der Gefahrenstoffverordnung aufgeführt.

Die Vorsichtsmaßnahmen bei Motorola und die Siemens-Untersuchungen seit 1988 zeigen: Ganz aus den Wolken fallen die Chip- Produzenten diesseits und jenseits des Atlantik nicht. IBM hatte die Studie 1987 in Auftrag gegeben, nachdem Wissenschaftler beim Konkurrenten Digital Equipment eine Verbindung zwischen Fehlgeburten und den Chemikalien hergestellt hatten. Die Studie sollte eigentlich das gute Image der Computerindustrie wiederherstellen. IBM-Sprecher Jim Rudermann kommentierte die Ergebnisse der neuen Studie denn auch mit den Worten: „Wenn es einen Lichtblick gibt, dann nur, daß der Rest der Produktion in den klinisch reinen Räumen ungefährlich ist.“