Porträt: „Kein Alibi-Ausländer“
■ Yilmaz Karahasan (54) ist der erste Ausländer an der Spitze
Er wollte mit seiner Kandidatur zum Geschäftsführenden Vorstand der IG Metall ein politisches Zeichen setzen — und das ist ihm geglückt. Die Wahl eines Türken in das Spitzengremium der Metallergewerkschaft ist eine Premiere, der 54jährige Yilmaz Karahasan ist der erste Ausländer im Vorstand einer Gewerkschaft in Deutschland. Daß diese Wahl gerade jetzt zustande kam, begreift Karahasan auch als Signal gegen die Ausländerfeindlichkeit und als Aufforderung an seine Organisation, sich gerade jetzt stärker auf die internationale Zusammensetzung ihrer Mitgliedschaft zu besinnen.
Geboren wurde Yilmaz Karahasan 1938 in Zonguldak im türkischen Bergbaurevier am Schwarzen Meer. „Das Gewerkschaftliche habe ich schon in meiner Familie aufgenommen“, berichtet er. Schon sein Vater war Funktionär der türkischen Bergarbeitergewerkschaft. Er selbst machte nach der Schule eine Lehre als Elektriker, danach arbeitete er bis 1958 in einem Bergbaubetrieb. 1958 kam er als Vertragsarbeiter nach Deutschland, arbeitete als Elektromonteur bei Siemens in Amberg. Seit 30 Jahren ist er Mitglied in der IG Metall. 1963 wechselte er zu Ford in Köln, hat sich dort beim Aufbau der gewerkschaftlichen Strukturen unter den türkischen Kollegen engagiert. Später wechselte er zur Arbeiterwohlfahrt.
Seit 1968 arbeitet der weißhaarige Sozialdemokrat als politischer Sekretär in der Ausländerabteilung der IG Metall in Frankfurt. In der SPD hat er sich schon seit 1963 für die Belange der ausländischen Bevölkerung eingesetzt. Zeitweise war er im Frankfurter SPD-Vorstand. Seine Arbeit in der IG Metall war nicht immer konfliktfrei. Mitte der siebziger Jahre geriet er mit der Organisationsraison seiner Gewerkschaft aneinander, als er Kontakte zur oppositionellen türkischen Gewerkschaft Disk statt zum offiziellen IGM-Partner, der Staatsgewerkschaft Türk Is, aufbaute. Diese Konflikte sind heute ausgestanden. Aber Karahasan ist sich darüber klar, daß damit die Spannungen zwischen der IG-Metall- Führung und den ausländischen Mitgliedern nicht aus der Welt sind.
Einerseits ist die Metallgewerkschaft mit über 360.000 ausländischen Mitgliedern die weitaus größte Ausländerorganisation der Bundesrepublik. Andererseits weiß Karahasan, daß es in großen Teilen der Mitgliedschaft latente und zunehmend auch offene fremdenfeindliche Ressentiments gibt. „Ich kandidiere nicht als Alibi-Ausländer“, meinte er in seiner Vorstellungsrede. Karahasan begreift seine Wahl als Auftrag, sich offensiv für die demokratischen und sozialen Rechte der ausländischen Mitglieder und der ausländischen Bevölkerung einzusetzen. Denn „in einer Demokratie“, so sagt er, „darf es keine Bürgerinnen und Bürger erster, zweiter und dritter Klasse geben“.
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