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Strecken und Beugen

■ Grüne in Niedersachsen im Wechselbad

Die niedersächsischen Grünen fühlen sich unwohl. Denn zwischen dem Wunsch, grüne Grundsätze hochzuhalten, und dem Zwang, unter dem Druck der Wirklichkeit ständig Kompromisse eingehen zu müssen, wandelt die Öko-Partei auf schmalem Grat. CDU und FDP geißeln etwa das Streben nach grün besetzten Posten mit Hinweis auf die hehre Grünen-Kritik aus Oppositionszeiten am Parteienfilz.

An diesem Wochenende wollen die niedersächsischen Grünen auf ihrem ersten Perspektivenkongreß ebenso über Auswege aus dem Stillstand in der Programmdebatte wie über den Nutzen der Regierungsbeteiligung reden. Grüne Politik in der Koalition mit der SPD ist gekennzeichnet von einem doppelten Konflikt: Neben der Auseinandersetzung mit dem größeren Partner um Giftmüllentsorgung oder Mercedes-Teststrecke, Pipelinebau im Wattenmeer oder Asylpolitik geht nach jedem rot-grünen Regierungskompromiß die Sorge um, wie das nun wohl –die Basis“ wieder aufnehmen werde.

Der Kongreß in Vechelde bei Salzgitter gilt daher auch als Stimmungsbarometer, wenn etwa der Wandel von der „Bewegungspartei“ zur „Regierungspartei“ zur Debatte steht. Die Folgen der Beteiligung an der Macht wurde „bei Grüns“ offiziell bisher nicht besprochen. Nach neuen Maßstäben für eine ökologische Politik wird ebenso gesucht wie nach Wegen zum versprochenen Atomausstieg. „Energiewende in harten Zeiten“ lautet sinnigerweise der Untertitel, denn bisher gibt es nicht viel vorzuweisen. Mehrfach ist Rot-Grün am Weisungsrecht von Bundesumweltminister Klaus Töpfer gescheitert.

In der Frauenpolitik haben die grünen Frauen, die sich als „feministisch“ begreifen, mit ihrer Ministerin Waltraud Schoppe zu tun, die bei den CDU-Frauen oft besser ankommt als in der eigenen Partei. Zum Umbruch in Europa, zur deutschen Einheit sind die Grünen im Land bisher kaum programmatisch vorangekommen.

Schließlich die Asyl- und Ausländerpolitik: Die Grünen in Niedersachsen tragen die radikale Linie der Bundespartei gegen jegliche Zuzugsbeschränkung nicht mit. Sie stecken aber auch in der Koalition mit der SPD in einem schweren Konflikt. Ministerpräsident Gerhard Schröder hält bei allen Vorbehalten gegen das Vorgehen von Björn Engholm eine Ergänzung des Asylgrundrechts für unabwendbar. Für die Grünen, allen voran Bundesratsminister Jürgen Trittin, scheint dies unannehmbar. Intern wird unumwunden zugegeben, daß dieser Konflikt „für die Koalition noch sehr gefährlich werden kann“. Andreas Möser, dpa

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