: 560 oder 700 Beschäftigte?
■ Jugendwerkstätten bestreiten chaotisch das Chaos
Die Jugendwerkstätten kämpfen um ihr Ansehen: Nach Mauschelvorwürfen und der Auflösungsforderung seitens der Handelskammer ging der Verein gestern in die Offensive. Die Vorsitzende Dagmar Lill und Geschäftsführer Christian Weber wiesen alle Vorwürfe zurück: Mit der Behörde sei alles in beste Ordnung gebracht, im Gutachten der Wirtschaftsprüfer „kann man sehen, mit wie wenig Führungspersonal der Verein auskommt“, so die Vorsitzende Lill.
Die Handwerkskammer hatte die Auflösung des Vereins gefordert, der auf dem Höhepunkt der Lehrstellenkrise als Ausbildungsmaßnahme gegründet wurde. Mittlerweile ist er zum Beschäftigungsprojekt mutiert. Er sei angesichts der horrenden Fördermittel nicht effektiv genug, so die Kammer. Dazu kam noch Streit mit dem Arbeitssenator: Trotz mehrfacher Aufforderung sei kein Wirtschaftsplan vorgelegt worden, und das bei Landeszuschüssen von 10 Millionen Mark in einem Gesamtvolumen von 27.8 Millionen Mark.
Alles kalter Kaffee, argumentierte gestern die Vereinsführung. Nachfragen förderten jedoch Ungereimtheiten zutage. Sie beginnen bei der vergleichsweise einfachen Frage nach der Zahl der Beschäftigten: 560, sagt die Vereinsspitze. In der Vorlage des Arbeitsressorts zur Nachbewilligung der 8,3 Millionen Mark Haushaltsmittel standen aber: „rd. 700 Personen.“ Nachfrage beim Arbeitssenator. Sprecher Jörg Henschen: „700, das ist uns so noch vor einer Woche mitgeteilt worden.“ Und eine Stunde später: „Das Personalbüro des Vereins teilt mit, das sind 585.“ 700 sei eine Soll-Größe gewesen, die der Verein als Ist- Größe mitgeteilt habe.
Ob die Zahlen zum Leitungspersonal stimmen, kann auch bezweifelt werden. Es gebe nur 31 Vorgesetzte, entsprechend 5,5 Prozent der Beschäftigten. In der freien Wirtschaft seinen acht Prozent üblich, so Dagmar Lill. Doch mit der Frage, wer denn eigentlich die berufsqualifizierenden Maßnahmen oder die Auszubildenden betreut, tauchen auf einmal 11 AusbilderInnen auf, die nicht zum Leitungspersonal gerechnet wurden.
Der Wirtschaftsplan sei beim Arbeitssenator vorgelegt und „das ist jetzt auch anerkannt“, hatte Dagmar Lill gesagt. „Der Plan liegt zwar vor, aber akzeptiert ist er noch nicht“, sagt dagegen Jörg Henschen. Der Erklärungsbedarf des Ressorts sei noch nicht befriedigt. Jochen Grabler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen