Das Schicksal der Piraten

■ Ein Erfahrungsaustausch der „Querfunker“ in Freiburg

Da schlugen die Megaher(t)zen höher: Zum ersten Mal seit fünf Jahren gab es vom 9. bis 11. Oktober 1992 wieder einen Querfunk- Ratschlag im deutschsprachigen Raum. Anlaß des Kongresses in Freiburg waren insbesondere die medienpolitischen Veränderungen in Ostdeutschland, aber auch geplante Novellierungen der Mediengesetze im Westen, etwa in Niedersachsen. 60 Leute von 21 Radios oder Radio-Initiativen kamen.

Das Spektrum reichte vom radikalfeministischen Sender „Radio St.Paula“ aus Hamburg bis zu einem katholischen Gemeindevertreter aus der Nähe von Göttingen, wo seit zehn Jahren „schwarz“ kirchliche Sendungen ausgestrahlt werden. Außer legalisierten Radios, die eine eigene Frequenz haben – zum Beispiel Radio Dreyeckland – oder die im „Offenen Kanal“ vertreten sind, waren auch Piratenradios vertreten, insbesondere aus Österreich und aus Ostdeutschland. Andere Gruppen wie „Radio Quer“, ein neues regionales Radio für Mainz und Wiesbaden, haben bisher noch nicht gesendet.

Von Piratenschicksalen wurde ausführlich berichtet: Während die österreichische Post das Radio in Wien mehr oder weniger duldet, überlagern die Innsbrucker Behörden die Ausstrahlungen der Initiative „Radiator“ regelmäßig mit einem Kirchensender aus Italien. Die Wiener finanzieren sich über die „Piratensteuer“, einen kleinen Obolus, der bei Veranstaltungen, die der Sender ausstrahlt, zusätzlich zum Eintritt erhoben wird.

„Radio Frei“ aus Erfurt hatte seit Oktober 1990 illegal gesendet, bis im Juni 1991 der Sendebetrieb eingestellt wurde, nachdem Polizei und Telekom während einer Sendung das Studio gestürmt hatten. Die beabsichtigte Beschlagnahmung des Sendegeräts mißlang jedoch. Die Gruppe engagiert sich jetzt für eine Vernetzung der sozialen und kulturellen Initiativen der Stadt und gibt seit September 1991 eine Zeitung, den Freibrief, heraus. Radio Frei sendet nur noch bei aktuellen Anlässen – etwa Aktionen der Rechtsradikalen – und dann nur jeweils für kurze Zeit, so daß die FunkerInnen nicht ausfindig gemacht werden können.

In den ostdeutschen Mediengesetzen ist die Forderung nach eigenen Frequenzen für nichtkommerzielle Radios nicht berücksichtigt worden. Deshalb wird jetzt eine Kooperation mit Privatveranstaltern erwogen. In Dresden ist ein kommerzieller Anbieter, ein grüner Stadtverordneter mit alternativem Anspruch, an das freie „Colo- Radio“ herangetreten und hat vier Stunden Sendezeit wöchentlich angeboten. Diese Radio-Initiative ist im Rahmen der Bürgerbewegung entstanden und hat bisher im wesentlichen nur Übungssendungen gemacht, außer an drei Tagen im Juni 1992, als ein Fest des Dresdner Szeneviertels „Bunte Republik Neustadt“ stattfand.

In Niedersachsen setzen die Initiativen ihre Hoffnungen auf Bekundungen der rot-grünen Koalition in Richtung einer Novellierung des Landesmediengesetzes. Sie haben sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, die erreichen möchte, daß der „freie Gesellschaftsfunk“ eigene Frequenzen bekommt und daß er aus den zwei Prozent der Rundfunkgebühren finanziert wird, die den jeweiligen Landesmedienanstalten zufließen.

Eine andere – beschränkte – Möglichkeit, legal zu senden, bietet der „Offene Kanal“. In Nordrhein-Westfalen sind zwar 15 Prozent der Sendezeit der privaten Lokalfunkstationen für „Bürgerfunk“ vorgesehen, aber die meisten Menschen, die in diesen „Fenstern“ Rundfunk machen, haben keinen Anspruch, Teil einer politischen Bewegung zu sein.

Die einfachste Möglichkeit, freies Radio zu verhindern, ist, Mediengesetze zu verabschieden, die nur landesweite Programme zulassen. Dieses ist zum Beispiel in Rheinland-Pfalz und in Hessen der Fall. In beiden Bundesländern bringt es zudem besonders wenig, in den „Offenen Kanal“ zu gehen, denn diese Sendungen werden nur über Kabel verbreitet.

Da ist die Regelung in Baden- Württemberg schon besser. Dort können seit neuestem Übertragungskapazitäten an nichtkommerzielle Sender vergeben werden. Das Gesetz regelt aber nicht deren Finanzierung. In den meisten anderen Flächenstaaten haben nach dem augenblicklichen Stand landesweite Flächenprogramme Priorität. Radio Dreyeckland und RadioZ aus Nürnberg sind in der Bundesrepublik die einzigen freien Radios, die auf eigener Frequenz 24 Stunden lang senden können.

Mehrheit lehnt Finanzierung durch Werbung ab

Ein Streitpunkt im Verlauf der Diskussion war, ob sich freie Radios auch durch Werbung finanzieren sollen. Die KongreßteilnehmerInnen lehnten eine solche Art der Geldbeschaffung mehrheitlich ab. Das ganz werbefreie Radio Dreyeckland trägt sich überwiegend aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Der größte Teil der Arbeit wird ehrenamtlich geleistet. In der Diskussion wurde davor gewarnt, sich zu sehr auf öffentliche Gelder zu verlassen.

In Bayern dagegen sind die Gruppen gezwungen, sich zum Teil durch Werbung zu finanzieren. RadioZ bekam nur unter dieser Bedingung eine Lizenz. Allerdings scheinen Gelder dieser Art nur einen sehr kleinen Teil der Einnahmen auszumachen.

Nur am Rande angeschnitten wurde die Frage, wie inhaltlich gutes Radio aussehen könnte. Unbefriedigend blieb die Diskussion über „Gegenöffentlichkeit“. Die Erfahrungen, die einflossen, waren zu unterschiedlich: Diejenigen, die seit langem gegenöffentlich arbeiten, äußerten ihre Enttäuschung über die herrschenden Zustände, während andere noch hoffen, daß alternative Formen von Öffentlichkeit wieder wichtiger werden. Ein Teilnehmer aus Dresden brachte das Auseinanderklaffen der persönlichen Biographien auf folgenden Nenner: „Wir haben die siebziger und achtziger Jahre nicht gehabt, uns interessieren sie aber auch nicht.“

Vorgestellt wurde auf dem Kongreß das Programm „InterKonnexiones“. Es wurde von Radio Dreyeckland (Tel. 0761/30407) mit ins Leben gerufen und soll mit seinem Rundbrief „IKX“ die freien Radios weltweit vernetzen. Manuela Bojadzijev, Romina Brustolon, Karl Duncker (Informationsdienst: Zentrum für alternative Medien-Projekt Dokumentation, Frankfurt/Main)