: Das verlorene Halsband der Taube
Das Kommunalkino zeigt:
Das verlorene Halsband der Taube
Es war einmal im Orient. Sechzig Namen gibt es im Arabischen für die Liebe, und Hassan, ein Lehrling in der Kunst der Kalligraphie, begibt sich in ein märchenhaftes Abenteuer, weil er sie alle kennen und aufschreiben will. Auf dieser Suche nach Worten trifft der junge Andalusier einen kleinen Dieb, dessen Vater ein Dschinn (also ein Quälgeist) ist; er füttert den Prinzen Haroun, der in einen Pavian verwandelt wurde, und hört die Klagen eines Derwischs, der für einen Granatapfel sein religiöses Gelübte brach. Hassan wirft verbotene Blicke in den Garten eines Harems, erlebt den blutigen Aufstand der Bettler und folgt schließlich der geheimnisvollen Prinzessin von Samarkand, deren Bildnis auf einer halbverbrannten Buchseite ihn in ihren Bann zieht.
Noch viel mehr Figuren, Episoden und Mythen, die an „1001 Nacht“ erinnern, hat der tunesische Schriftsteller und Regisseur Nacer Khemir in diesem Film miteinander verknüpft. So wie in der Kalligraphie die Buchstaben genauso wichtig und schön sind wie die Texte, spielen hier diese einzelnen Facetten, Bilder und Farben die eigentliche Hauptrolle. Khemir ist ein Kenner und Liebhaber von „1001 Nacht“: in Paris erzählte er im Theatre National Märchen aus der Sammlung, andere Filme von ihm heißen „Sheherazade“ oder „A la Recherche des 1001 Nuits“.
Aber dieser Film gleicht eher einem Gedicht als einer Erzählung. Khemir reiht viele poetischen Partikel aus der arabischen Märchenwerk aneinander: Geister, weise Meister, Gärten in der Wüste, Visionen von prächtigen Säulengängen in einer düsteren Moschee — und dazwischen wandelt der träumerische Schöngeist Hassan aus einem erlesen schönen Drehort in den nächsten. Wenn bei uns das tapfere Schneiderlein mit dem großen, bösen Wolf der Rapunzel auf den Pelz rücken, und dabei noch den Bremer Stadtmusikanten begegnen würde, wäre das allerhöchstens der Stoff, aus dem man Witze macht. Aber „1001 Nacht“ ist ja auch viel mehr als nur eine Sammlung von Kindermärchen, und so wirkt Khemirs Film nie komisch, auch nicht zusammengewürfelt oder überladen.
die beiden
auf der
treppe
Seine Vision von der Blütezeit der arabischen Kultur im Andalusien des 11. Jahrhunderts ist so schön, streng und doch verspielt wie die klassischen Kalligraphien, und deshalb ist es nur konsequent, wenn der Film mit solch einer Schönschrift endet: Zwanzig Jahre hat ein Meister an diesem einen Buchstaben Waw gearbeitet, aber dafür ist er einzigartig und vielfältig wie Gott: der Buchstabe des Reisenden. Wilfried Hippen
Mo. & Die., 18.45 Uhr im Cinema, Mi. & Do., 20 Uhr im Überseemuseum.
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