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Wer möchte da nicht gerne Mutter werden?-betr.: "Pränatales Leben um jeden Preis", taz vom 16.10.92

betr.: „Pränatales Leben um jeden Preis“, taz vom 16.10.92

Über dem Kreißsaal liegt ein Hauch von Spiritus, ausgedünstet von den schwangeren Leichnamen, die von mechanischen Apparaturen dann und wann mit Hilfe von Schnüren bewegt werden, um für die Föten Lebendigkeit zu simulieren. Gerade wird ein Säugling aus seiner Behausung geschält, es spritzt eimerweise, und es stinkt, trotz aller Konservierungstechnik, nach Verwesung. Während die Reste des ausgeweideten Frauenleibes, notdürftig zusammengeflickt und für die Bestattung präpariert werden, begrüßen die Eltern ihren Sproß, der neun Monate zuvor einem Schlupfwespenkeimling gleich, in die tote Leihmutter implantiert worden ist.

An einer anderen Bettsarkophagmaschinerie streichelt ein werdender Vater den Bauch seiner schwanger verstorbenen Gattin, dem erwarteten Stammhalter die nötige Zuwendung angedeihen zu lassen; dabei versucht er, den Blick von dem schwarzen Tuch zu wenden, welches das vom Tode entstellte Antlitz seiner Frau verdeckt...

Der Embryo als trojanisches Pferd der Wolfsgesellschaft in der Mutter und als Schmarotzer in ihrem toten Leib. Wer möchte da nicht gerne Mutter werden? Christop Visse, Mettingen

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