„Stasi-Offiziere lügen nicht“

■ Ex-BND-Chef Hellenbroich hält Rossbergs Aussage für glaubwürdig/ Strafanzeige gegen Stolpe

Hamburg (dpa/AFP) — Der frühere Stasi-Oberst Klaus Roßberg will jetzt auch vor Gericht bezeugen, daß er dem brandenburgischen SPD-Ministerpräsidenten Manfred Stolpe 1978 persönlich die DDR-Verdienstmedaille überreicht habe. Roßberg hat gegen Stolpe Strafanzeige wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung erstattet, nachdem dieser erklärt hatte, die Darstellung des Stasi-Offiziers sei frei erfunden und erlogen. Damit wird die Frage der Medaillenvergabe jetzt auch vor Gericht ausgetragen. Nach Erstattung der Strafanzeige muß Stolpe den Beweis antreten, daß Roßberg gelogen hat. Stolpe hat seinerseits Anzeige gegen Roßberg erstattet.

Unterdessen hat sich im Glaubenskrieg Stolpe/Rossberg der frühere Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Heribert Hellenbroich, auf die Seite des Stasi-Obersten gestellt. „Sie lügen nicht“, faßte der Ex-Chef des Bundesnachrichtendienstes seine Erfahrungen mit Stasi-Offizieren zusammen. Zudem seien die Aussagen Roßbergs glaubhaft, weil seine Schilderung der Ordensverleihung an Stolpe „genauen Kenntnissen unserer Spionageabwehr über die Prozedur bei solchen Auszeichnungen entspricht“. Hellenbroich warf Stolpe vor, seine Verteidigung gegen die Stasi-Vorwürfe nach „bester Agentenmanier“ vorzutragen: Er gebe nur zu, „was ihm schwarz auf weiß nachgewiesen werden kann“.

Indes bemüht sich das Bündnis90 in Brandenburg, die Risse in der Ampelkoalition zu kitten. Der Landessprecherrat billigte nach kontroversen Debatten die Entscheidung der Landtagsfraktion, an der Führung der Koalition unter Stolpe festzuhalten und dessen Stasi-Kontakte erst nach dem Abschlußbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu bewerten. Drei Bundestagsabgeordneten von Die Grünen/Bündis 90, Werner Schulz, Gerd Poppe und Vera Wollenberger, hatten hingegen den Rücktritt des Ministerpräsidenten gefordert.

Eine der Kritikerinnen aus dem Brandenburger Landesverband, Bildungsministerin Marianne Birthler, traf sich mit Stolpe auf dessen Wunsch zu einem klärenden Gespräch. Wie es anschließend hieß, will sie sich vorläufig nicht mehr öffentlich zu Stolpe äußern.

An solcherart Zurückhaltung ist Johannes Gerster freilich nicht gebunden. Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende warf dem Potsdamer Regierungschef „penetrantes Kleben am Amtssessel“ vor und forderte dessen Rücktritt: „Stolpe ist der Stolperstein bei der Bewältigung des SED-Unrechtsregimes. Entweder er geht, oder wir müssen das Stasi- Unterlagen-Gesetz wieder aufheben und die Gauck-Behörde auflösen“, erklärte Gerster. Deren Existenz mache wenig Sinn, wenn „jede Vorlage von Belastungsmaterial wie im Fall Stolpe ohne Konsequenzen bleibt“.