: Die neue Steuerlüge kommt bestimmt
■ Wirrwarr um die Finanzierung des Abschwunges Ost / Zwangsanleihe oder neuer Soli-Zuschlag?
Bonn (taz) — Die Dementis waren kaum ausgesprochen, da begann schon der nächste Akt des Endlos-Dramas um die Finanzierung der deutschen Einheit. Beim nachmittäglichen Treffen der Ost-Unionsabgeordneten mit dem Kanzler standen Zwangsanleihe und Steuern wieder auf der Tagesordnung, nachdem bis gestern Mittag aus dem Kanzleramt, dem Finanzministerium und der FDP-Zentrale abschlägige Bescheide ergangen waren. „Unsinnig“, lautete der Kommentar des Hauses Waigel zum Thema Steuererhöhungen, auch eine Zwangsanleihe wurde „entschieden zurückgewiesen“.
Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) befand, daß neue Steuern und Abgaben ein „gefährliches Gift“ für die Konjunktur seien. Auch FDP-Parteichef Otto Graf Lambsdorff hält weitere Abgabendiskussionen wegen der wirtschaftlichen Entwicklung für „außerordentlich gefährlich“. Doch selbst dieser strenge Hüter eines strikten Sparkurses schloß auf die Dauer Stererhöhungen nicht aus. 1995 könnten sie nötig werden und 93 darüber entschieden werden.
Mittelfristige Schritte dieser Art schloß auch CDU-Generalsekrtär Peter Hintze nicht aus. Kommentar der SPD: „Wiederaufleben des Finanzchaos“: Die verwirrende Finanzdiskussion war wieder aufgebrochen, nachdem die Bild-Zeitung kolportiert hatte, bereits am Mittwoch würde das Bundeskabinett über die Zwangsanleihe beschließen. Zwar wird das mit einiger Sicherheit nicht geschehen. Grund zur Nervosität hat die Regierung aber allemal.
Im Vorfeld des CDU-Parteitages, der am kommenden Montag beginnt, wächst der Druck auf Kanzler Helmut Kohl, glaubhafte Finanzierungskonzepte vorzulegen. Nicht nur bei den Ost-CDUlern sinkt die Bereitschaft zusehends, diese Frage offenzuhalten. Erst auf Druck aus der Partei ist dem Thema deutsche Einheit entsprechender Raum auf dem Parteitag eingeräumt worden, der dem Schwerpunkt Europa gelten sollte. Bis zur letzten Minute wird an den entsprechenden Bundesvorstandsanträgen gefeilt. Die Zwangsanleihe mußte vor sechs Wochen nach stürmischen Diskussionen in der Unionsfraktion beerdigt werden, nachdem die CSU und Koalitionspartner FDP äußerst unmutig auf diesen Vorschlag der Ost-Abgeordneten reagiert hatten. Blamiert war unter anderem CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble, der den Vorstoß tragen hatte — mit Billigung Kohls, der jedoch davon abrückte.
Unruhe schaffen auch die offenkundigen Lücken der von Haushaltsplanung von Finanzminister Theo Waigel (CSU). Auch bei der FDP, die einen radikalen Sparkurs der öffentlichen Haushalte für ausreichend hält, um die deutsche Einheit zu finanzieren, wachsen mittlerweile die Zweifel. Graf Lambsdorff befürchtet, „die Einnahmesituation wird unter dem bleiben, was zugrundegelegt wurde“. Was hieße: Das Geld reicht einfach nicht. tib
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