: Kinotips
KINOTIPS
Alle wußten „es“, geredet wurde „darüber“ aber nur hinter vorgehaltener Hand. Was ist der Kern der Erzählungen, die die unterschlagenen Erinnerungen an die Massenvergewaltigungen nach dem Zweiten Weltkrieg wachhielten? Das schmerzhafte Thema untersucht und dokumentiert Regisseurin Helke Sander in BeFreier und Befreite. Sie grenzte ihre Recherchen auf die Zustände kurz nach Kriegsende in Berlin ein, und durchforstete Krankenstatistiken, Selbstmordraten und die Zahl „unehelicher“ Kinder. Sie sprach mit Opfern, die oft erst 46 Jahre danach über die erlittenen Verbrechen reden konnten, mit Rotarmisten, die Berlin 'befreiten‘, sie interviewte Zeitzeugen wie Lew Kopelew und Hildegard Knef. Während im ersten Teil des zweiteiligen Werks die Opfer und ehemalige Rotarmistinnen und Rotarmisten zu Wort kommen, versucht der zweite Teil die Folgen für die Frauen und die zwangsweise gezeugten Kinder, die behördlich als „Besatzungsschaden“ oder „Verteidigungslast“ bezeichnet wurden, zu fassen. Doch das gewaltige Thema scheint die Filmemacherin zu überrollen. Unbeholfen stellt sie sich in die Gesprächsszenen. Sie zelebriert sich selbst als Opfer, wenn sie ohne nachzuhaken einem ehemaligen Soldaten bei der harmlosen Wiedergabe seiner Erinnerungen an die Erobererzeit zuhört. Trotz der Mängel gelingt es dem Film BeFreier und Befreite die Trauerarbeit über den von Deutschland angefachten Weltkrieg um eine Dimension zu erweitern. Zu BeFreier und Befreite erschien die gleichnamige, umfangreiche Buchdokumentation im Verlag Antje Kunstmann (34 Mark). (Metropolis)
Beim Filmfest war der Erfolg des „gefälschten Dokumentarfilms“ Bob Roberts nur mäßig. Nach einigem Zaudern und wenig beeindruckenden Publikumszahlen in anderen Städten schickt ihn der Verleih nun mutig in zwei Hamburger Lichtspielhäuser. Tim Robbins, der noch als Hollywood-Tykoon in Robert Altmans The Player gut in Erinnerung ist, gibt mit Bob Roberts sein Regiedebüt und spielt gleichzeitig die Hauptrolle des millionenschweren Neokonservativen, der sich in den US-amerikanischen Senat berufen fühlt. Bob Roberts beginnt seinen Stimmenfang in Pennsylvania, wo er als Folk-Sänger mit seinen extrem einfachen Botschaften von den sogenannten alten Werten die Hallen füllt. Zur Klampfe singt er Liedchen davon, daß man alle, die Drogen nehmen oder verkaufen, am höchsten Baum aufknüpfen soll. „Gern sehe ich Bob Roberts als einen jungen George Bush mit Gitarre“, sagt der Regisseur über seine Konstruktion eines Kandidaten, der nach einer zünftigen Wahlschlammschlacht etwas ins Hintertreffen gerät. Nach einem Attentat setzt er seine Kampagne im Rollstuhl fort, so daß seine Chancen als Märtyrer der neuen Rechten wieder steigen. Roberts' politischen Gegenspieler Senator Brickley Paiste gibt übrigens der amerikanische Essayist und Drehbuchautor Gore Vidal. Die Reality-Show zum Film ist am 3.November im TV zu sehen.
(Studio, Abaton)
Außerdem: Die Stunde der Patrio-
1ten, siehe überregionalen Kulturteil (Hansa, Ufa, Savoy, Gloria, Mundsburg). Und: Die erotische Dreiecksboulevardkomödie Männer und Liebhaber von Mauro Bolignini nach dem Roman von Alberto Moravia, siehe überregionalen Kulturteil.(Ufa, Kino-Center, Savoy)jk
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