: Der Stasi-Mitarbeiter als PDS-Erneuerer
■ PDS-Vize Brie will Amt behalten
Berlin (taz) – Die Berliner PDS wähnte sich im Aufwind seit ihren guten Ergebnissen bei den Bezirkswahlen im Mai. Jetzt fürchtet sie einen Scherbenhaufen auf ihrem Landesparteitag am Wochenende. Grund dafür ist das überraschende Bekenntnis ihres Landesvorsitzenden André Brie, 19 Jahre in größerem Maßstab für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet zu haben. Für die Fraktionsvorsitzende der Partei im Berliner Abgeordnetenhaus, Gesine Lötzsch, war dies schlicht „katastrophal“. Am kommenden Wochenende wollte man eigentlich die landespolitische Offensive einläuten, nun werden sich die Delegierten, wie bei den vorangegangenen Parteitagen, wieder der Vergangenheitsbewältigung widmen müssen. Sie werden um so verärgerter sein, als Brie im letzten Jahr seinem Vorgänger Wolfgang Adolphi den Rücktritt nahegelegt hatte, als dessen Stasi-Mitarbeit publik wurde. Brie galt als ein Erneuerer der Partei, nun erwartet er, wie er gestern erklärte, „berechtigte Kritik“ an seiner Person. Immerhin hat er gegen eindeutige Beschlüsse der Partei verstoßen, die nach Adolphis Rücktritt und vor seiner Wahl zum Landesvorsitzenden im Sommer letzten Jahres erlassen wurden. Danach haben „GenossInnen, die sich um eine Wahlfunktion bewerben (...) gegenüber den Delegierten- bzw. Mitgliederversammlungen, in denen sie sich zur Wahl stellen, eine eventuelle offizielle oder inoffizielle Mitarbeit beim MfS“ offenzulegen. „Wer sich als unehrlich gegenüber der Partei erweist“, wird von seinen Funktionen entbunden.
Wegen des Verstoßes gegen die Parteistatuten, so Brie gestern, habe er im Zwiespalt gestanden, sei jedoch massiv aufgefordert worden, weiterzumachen. Wer ihn aufforderte und ob Gregor Gysi, dessen Stellvertreter er ist, von der Stasi-Tätigkeit wußte, wollte er gestern nicht sagen.
Von sich aus will Brie seinen Rücktritt nicht anbieten, darüber müsse die Partei entscheiden. In welche Richtung die Debatte des Parteitages gehen kann, deutete gestern Lötzsch bereits an. Sie werde anregen, über den Beschluß der Partei zum Umgang mit der Stasi-Mitarbeit ihrer Funktionäre neu nachzudenken, denn, so ihre Begründung, „wir haben erleben müssen, welche Konsequenzen Offenbarungen hatten“. Dieter Rulff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen