piwik no script img

Bremen: klein, fein, bürgernah

■ Wirtschaftssenator Jäger pries vor Bankern die Übersichtlichkeit des Stadtstaates

Vor einer honorigen Herrenrunde hielt Bürgermeister Claus Jäger gestern das Fähnlein des Stadtstaates Bremen hoch. Den pensionierten Vorstandsmitgliedern der bundesdeutschen Landesbanken und Girozentralen erzählte er von den Vorzügen der Stadtstaaten und der kleinen politischen Einheiten. Bis zu den alten Griechen holte der Wirtschaftssenator in seiner Verteidigungsrede aus: Schließlich habe die Politik in der antiken polis ihren Ursprung genommen. Und bis nach USA richtete der Bürgermeister seinen Blick, um die Existenz der kleinen, bevölkerungsarmen Staaten neben den Großen zu verteidigen. Doch anders als dort, wo die Grenzen mit dem Lineal auf dem Reißbrett gezogen worden seien, gehe es hier um gewachsene Strukturen.

In Bremen ist die Politik noch wirklich persönlich, findet der Bürgermeister: „Der Bürger kann seinen Senator per Telefon erreichen oder ihn ansprechen, wenn er ihn auf dem Marktplatz trifft.“ Und die kleine, überschaubare Stadt sei ein feiner Seismograph für politsche Entwicklungen: Nicht daß der Senator das als Erfolg bezeichnen wollte, aber die NPD sei 1967 erstmals in der Bremer Bürgerschaft vertreten gewesen. Die Grünen kamen 1979, die DVU 1987. Und was der kleine Staat nicht alles für das Umland leistet: Ärzte, Theater, Werder.

Des Senators wirtschaftliches Argument für den Stadtstaat: Kleine Einheiten seien leistungsfähiger. Bremens Verwaltung arbeite „unerhört kosteneffektiv“. Fast unverschuldet ist das kleine Bremen nach Jägers Schilderung in die Miesen geraten. Ein ungerechtes Besteuerungssystem, das Lohn- und Einkommenssteuer im Umland kassiert und nicht dort, wo gearbeitet wird, und die wirtschaftliche Strukturkrise hätten die Stadt gebeutelt. Und daß Bremen im Länderfinanzausgleich ungerecht behandelt worden ist, hat der Senator seit dem Bundesverfassungsgerichtsurteil im Mai amtlich.

Nein, einen Nordstaat, aus Hamburg, Niedersachsen und Bremen oder gar mehr, will der Bürgermeister nicht: Was sollte das auch ändern? „Wenn man Schwache zusammenlegt, werden sie dadurch nicht stärker.“

Die honorigen Herren mit den Beraterverträgen — geschätztes Durchschnittsalter: 75 Jahre — vernahmen's und nickten. Doch dann interessierten sie sich doch mehr für die Gefahr der „Überakademisierung“ der Gesellschaft. Da fanden sie des Herrn Senators „volle Zustimmung“ und doch wieder nicht: Denn das Studieren verbieten, das wäre für einen Liberalen doch „sehr schwierig“. dir

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen