: Spätes Nachdenken über das heikle Erbe
■ Olympia-Kulturbeauftragter Hilmar Hoffmann stellte seine Ideen für das Sportgelände von 1936 vor Trotz Unzufriedenheit mit dem belasteten Austragungsort: Ein anderes Stadion kommt nicht in Frage
Tiergarten. Kann man sich das vorstellen? Bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2000 ziehen israelische Sportler an der bis heute unveränderten nationalsozialistischen Heldengalerie des „Reichssportfeldes“ vorbei in jenes Stadion ein, das seit 1936 für den Mißbrauch der Olympischen Idee durch eine Diktatur steht. Und in die Berichterstattung von den Wettkämpfen blenden TV- Anstalten aus aller Welt Ansichten der Langemarckhalle mit ihren kriegsverherrlichenden Gedichtzeilen ein – als deutsche Ansichten.
Es müssen solche Horrorszenarien gewesen sein, die Hilmar Hoffmann, den Kulturbeauftragten der Olympia GmbH, zu der Einsicht gebracht haben, daß die Vergangenheit sich weder beschönigen noch verdrängen läßt, daß die Spiele 2000 zu denen von 1936 ein Verhältnis finden müssen. Seine Ideen zum Umgang mit Hitlers Spielen stellte der langjährige Frankfurter Kulturdezernent am Mittwoch abend auf einer Veranstaltung des Vereins Stadttor vor.
Anders als seine Arbeitgeber von der Olympia GmbH, für die 1936 allenfalls die Negativfolie eines neuen, besseren Deutschlands abgibt, plädiert Hoffmann für eine offensive Auseinandersetzung mit der Geschichte und hat dafür drei Vorschläge erarbeitet. So könnte eine „Galerie geschundener Skulpturen“ den an Hitlers nordischem Idealtyp ausgerichteten Olympiastatuen entgegengestellt werden, die zu diesem Zweck vorübergehend auf das Maifeld verschoben werden müßten.
Dauerhafte Eingriffe sind schon deshalb schwierig, weil das Ensemble seit 1986 unter Denkmalschutz steht. Die Statuen und kriegsverherrlichenden Symbole könnten, so der zweite Vorschlag, mit Vitrinen überbaut und beschriftet werden. Schließlich könnten die Nazi- Statuen und -Bauten nach dem Vorbild Christo mit durchsichtigem Cellophan überspannt werden.
Auf dem Podium im Berlin Pavillon fanden diese Ideen wenig Anklang. Nicht alle Gesprächsteilnehmer äußerten sich so entschieden wie der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung als Obergutachter engagierte Architekt Jürgen Wenzel, der im Lauf der Diskussion der Entwürfe für das Olympiagelände zu der Einsicht gekommen war, daß das „steinerne Geschichtsbuch“ grundsätzlich nicht für die Spiele taugt. Aber das Unbehagen war allgemein. Für grundsätzliche Bedenken, darauf wies Hoffmann nachdrücklich hin, ist es freilich zu spät: Die Entscheidung für das Stadion von 1936 als zentralem Veranstaltungsort ist gefallen, die Chance zur grundsätzlichen Diskussion haben die Olympiaplaner den Kreativen nicht eingeräumt. Hoffmanns Aufgabe steht damit unter strengen Vorgaben. Die Uneinigkeit der Planer läßt wenig Hoffnung, daß die Fernsehkameras in acht Jahren Bilder übertragen könnten, die ein überzeugendes Verhältnis der Deutschen zu ihrer Vergangenheit im Ausland sinnfällig machen. Hans Monath
Die Olympia-Entwürfe sind seit heute im Roten Rathaus zu sehen.
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