■ Press-Schlag: Volksaufstand im Alpenland
Schon seit längerem beschlich manch notorischen Fernsehsportkonsumenten gelegentlich ein ungutes Gefühl angesichts des wildwuchernden TV-Rechte- Dschungels. Etwa während der US-Tennismeisterschaften von Flushing Meadow, als der Sender RTLplus allen Konkurrenten die Übertragungslizenz weggeschnappt hatte, es aber nicht für nötig befand, den damit eingegangenen moralischen Verpflichtungen nachzukommen. So gab es das Doppel-Halbfinale mit Stich/McEnroe nur rudimentär, weil irgendeine alberne Quizsendung, wie sie gleichzeitig auf 25 anderen Privatkanälen lief, Vorrang genoß. Das dramatische Semifinale zwischen Edberg und Chang blieb im Abseits, weil der Sender vor lauter Gier den anderen Kanälen auch noch das Pokalspiel Bayern - Dortmund weggekauft hatte. Frauenfinale? Um Himmels willen, dann hätte ja der Erotikwunschfilm der Woche entfallen müssen.
Visionen drängten sich auf von finanzkräftigen Sendern, die alles kaufen, was sie kriegen können, bloß, damit es die Konkurrenz nicht kriegt, dann aber gar nicht daran denken, tatsächlich zu übertragen. Eine keineswegs aus der Luft gegriffene Befürchtung, wie der Skisport zeigt.
Da haben die öffentlich- rechtlichen Anstalten der drei Länder Deutschland, Schweiz und Österreich es nunmehr endgültig abgelehnt, die horrenden Preise zu zahlen, die eine dubiose, in Liechtenstein ansässige „Halva Finanzanstalt“ für die Übertragungsrechte der wichtigsten Weltcup-Rennen verlangt. Für die beiden Alpenländer, in den es keine Privatkanäle gibt, heißt dies, daß der Bildschirm weitgehend skifrei bleibt, nur die Veranstaltungen im eigenen Land können gesendet werden. In Deutschland könnten noch die Privatstationen zuschlagen, ob sie es tun werden, ist angesichts der Wucherpreise ungewiß. Bislang hat Halva noch kein einziges Rennen verkaufen können.
Vollkommen unklar ist, wer hinter dieser Gesellschaft steckt, die die Rechte, an den Verbänden vorbei, direkt bei den Veranstaltern erworben hat. Italiens Medienzar Berlusconi wird verdächtigt, Genaues weiß niemand. Gianfranco Kasper, Generalsekretär des Weltskiverbandes FIS: „Seit zwei Monaten haben wir Detektivarbeit geleistet, aber wir wissen nicht, wer dahinter steckt.“ Solange die Dollars rollen, scheint diese Frage durchaus zweitrangig zu sein. Die Ausrichter sind hochzufrieden, sie kassierten bis zu eine Million Dollar pro Rennen, die Aktiven versprechen sich höhere Preisgelder, und auch die FIS findet das, was sich leicht als Schnitt ins eigene Fleisch entpuppen kann, „erfreulich“ (Kasper).
Die Gelackmeierten sind erstmal die alpinen Fernsehsportlerinnen und -sportler, vor allem in den skisportverrückten Nationen Schweiz und Österreich. „In diesen Ländern wird es einen Volksaufstand geben“, mutmaßt Gianfranco Kasper. Matti
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