: Fünf Tore, kein Spaß
Europapokal der Pokalsieger: Werder Bremen – Sparta Prag 2:3 (0:2)/ Schnelle Tschechen zu clever für den Titelverteidiger ■ Aus Bremen Jürgen Francke
90. Minute im Weserstadion. Vier grün-weiße Abwehrspieler hocken niedergeschlagen auf dem nassen Rasen. Gerade hat ein Prager Nobody namens Vonasek Sekunden vor dem Schlußpfiff den Bremern eine ganz neue Erfahrung beschert. Das eiskalt verwandelte Konter-Tor bedeutet für den Titelverteidiger im Europapokal der Pokalsieger, Werder Bremen, die erste Niederlage überhaupt in einem Hinspiel auf eigenem Platz.
Die Low-Budget-Profis von Sparta Prag hatten bis zur Pause alle im Weserstadion überrascht. Die knapp 11.000 Zuschauerinnen und Zuschauer waren bei naßkaltem Herbstwetter aufs äußerste genervt, denn die Gäste führten sogar mit 2:0. Werders hochbezahltes Team guckte dumm in Richtung Trainerbank, wohl selten hatten die Bremer soviele Chancen und lagen dennoch zurück.
Nicht einmal zwei Minuten waren gespielt, und Marco Bode, Werders Gullit, hätte bereits die Führung erzielen können. Werder legte los wie die Feuerwehr, während die Tschechoslowaken auf Konter warteten. Immer wieder tauchten die roten Prager mit klugen Flachpässen vor Oliver Reck auf. Zweimal halfen ihnen dabei die Werderaner nach Leibeskräften. In der 25. Minute paßten sie nach einer Ecke nicht auf, so daß Vrabec aus 16 Metern einfach draufhielt und seinen Kollegen Sopko anschoß, der den Ball unhaltbar abfälschte. Zehn Minuten später foulte Werders österreichischer Nationalspieler Herzog (er sollte wie sein Landsmann Prohaska „Schneckerl“ genannt werden) einen Prager. Freistoß, Kopfball von Dvirnik, 2:0 für die cleveren Gäste.
Schiedsrichter Amendolia, einer der besten auf dem Platz, kannte sich mit der „Notbremsen- Regel“ gut aus. Libero Chovanec fällte den davonrennenden Bode Sekunden vor der Pause von hinten. Dafür gabs Platzverweis, und Sparta Prag durfte die zweite Hälfte mit nur zehn Akteuren bestreiten. Werder, von Trainer Rehhagel wohl kräftig angeschnauzt, begann den zweiten Durchgang wie den ersten. Wie von Furien getrieben berannten die Bremer das Gäste-Tor, doch weder der eingewechselte „Europapokal-Gott“ Frank Neubarth noch Oldie Klaus Allofs als Stürmer Nummer drei und vier konnten zunächst etwas ändern. Zwar lief ohne die in der Kabine gebliebenen Legat und Beiersdorfer das Spiel flüssiger, aber das Tor schien immer noch etwas zu schmal zu sein. Allofs, Eilts, Bode und Neubarth hackten vorbei. Bis zur 56. Minute. Da schoß Neubarth aus der Drehung das 1:2. Und es kam noch besser. Neubarth brillierte noch einmal mit einem Preßschlag-Latten-Abpraller,den Wynton Rufer per Kopf verwandelte. Die Pfiffe auf den Rängen waren verstummt, nun war auf einmal Stimmung angesagt.
Das Spiel wurde richtig munter, so hatte sich das Häuflein Publikum ein Europapokal-Match vorgestellt. Torgelegenheiten hatten die Bremer en masse, doch wenn sie nicht gerade mal wieder die Bandenwerbung anvisierten, dann war da auch noch Torwart Kouba. Aber es nutzte alles nichts, der gefühlvolle 2:3-Schlenzer in der Schlußminute machte Werder Bremen einen dicken Strich durch die Pokalrechnung.
Das war aber nicht die einzige Rechnung an diesem Bremer Abend, die nicht aufging. Das hanseatische Management durfte zwar über zwei Millionen Deutschmark für die Übertragungsrechte des Privatfernsehens einstreichen, aber weniger als 11.000 Zuschauer bei einem internationalen Wettbewerb, das spricht nicht für eine starke Bindung von Verein und Anhängerschaft. Ein fast leeres Stadion, kaum Atmosphäre, ein unbefriedigendes Ergebnis und spielerisch keine Aussicht auf Besserung, das macht keinen Spaß.
Sparta Prag: Kouba - Chovanec - Sopko, Hornak - Mistr, Bilek (50. Frydek), Nemec, Vrabec, Vonasek - Dvirnik (90. Trval), Siegl
Zuschauer: 10.747; Tore: 0:1 Sopko (25.), 0:2 Dvirnik (35.), 1:2 Neubarth (56.), 2:2 Rufer (79.), 2:3 Vonasek (90:)
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