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„Ein Schein von Humanität“

■ Professoren und WissenschaftlerInnen verurteilen in ihrer „Dortmunder Erklärung“ das Erlanger Experiment an einer hirntoten Schwangeren

Berlin (taz/epd) – In ihrer „Dortmunder Erklärung gegen den Mißbrauch von Menschen durch die Medizin-Technologie“ kritisieren katholische und evangelische Theologen das Erlanger Experiment, bei dem eine hirntote Frau ein Kind austragen soll. Es sei ein „schauriges Beispiel dafür, wie die Faszination des technisch Machbaren Menschen dahin bringt, daß alles, was technologisch möglich ist, auch getan werden muß, so daß die Verletzung der Menschlichkeit, die darin geschieht, nicht einmal mehr zum Bewußtsein kommt. Indem die verantwortlichen Mediziner sich auf das Lebensrecht des ungeborenen Kindes berufen, wird für diesen Menschenversuch sogar ein Schein der Humanität herbeigeredet.“

Gleichzeitig hätten die Ärzte jedoch erklärt, die medizinischen Maßnahmen würden sofort abgebrochen, „wenn sich erweisen sollte, daß das Kind nur geschädigt geboren werden könnte“. „Was ist das für eine Verantwortung“, fragen die sieben Professoren und weitere WissenschaftlerInnen der Dortmunder Universität, „die nur im Erfolgsfall übernommen werden soll? Gilt denn das Lebensrecht des Kindes nur dann, wenn es den Qualitätsanforderungen der Experimenteure entspricht?“

Für bedenklich halten es die Dortmunder Professoren, daß die „sozialkritischen Aspekte“ des Falles bisher kaum thematisiert würden. Während sich für ein solches Vorhaben sofort ein Kostenträger gefunden habe, werde an der Förderung lebendiger Kinder selbst „in unserem reichen Land an allen Ecken und Enden gespart“.

„Was uns besonders bedrückt“, heißt es in der Erklärung der TheologInnen weiter, „ist die Eilfertigkeit, mit der Theologen und Kirchenvertreter die Frage nach der Zulässigkeit solcher Experimente an die Medizintechnologen abtreten“. „Warum traut sich keiner der sogenannten Ethik-Experten zu sagen, daß auch das im Leib dieser Frau heranwachsende Kind, das noch nicht den Reifegrad für ein selbständiges Leben erreicht hat (andernfalls könnte man es durch einen Kaiserschnitt sofort entbinden), in das Sterben der Mutter verwoben ist und mit ihr sterben muß, weil es für den Mißbrauch der Mutter als Gebärapparat keine Legitimation gibt.“

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