: Exoten soll man pflegen
■ Interview mit dem Trainee-Verantwortlichen von Schering
taz: Wie gestalten Sie Trainee- Entwicklungsprogramme für Hochschulabsolventen?
Hans-Heinrich Ranze: Für das Traineeprogramm stellen wir maximal zehn Personen ein – handverlesen. Das Programm dauert zwei Jahre. Der Vertriebstrainee geht in den ersten drei Monaten in die zentralen Funktionen. Dort lernt er, wie das Unternehmen geplant, gesteuert und kontrolliert wird. Anschließend lernt er seine Fachausbildung im Vertrieb. Sogenannte Paten unterstützen die Ausbildung in den Bereichen. Begleitend zur praktischen Ausbildung besucht der Trainee noch firmeninterne Seminare.
Haben Sie Bedarf an Geistes- und Sozialwissenschaftlern?
Wir haben den schönen Ausdruck: Exoten soll man pflegen. Wir nehmen Geisteswissenschaftler auf. Aber es ist schwierig, für diese Gruppe adäquate Stellen zu finden, in denen sie ihre im Studium erworbenen Qualifikationen nutzen kann.
Welche Kriterien spielen noch eine Rolle?
Es ist wichtig, was der Student noch neben dem eigentlichen Studium gemacht hat. Hat er sich im Asta engagiert, oder beherrscht er Sprachen, hat er Praktika absolviert, hat er auch mal ein paar Semester in eine andere Fakultät reingeschnuppert? Ausschlaggebend für die Einstellung in so ein Programm ist, ob jemand das Potential zur Führungskraft hat. Erst in zweiter Linie wird die fachliche Qualifikation berücksichtigt.
Bundesbildungsminister Rainer Ortleb sagte kürzlich, die Universitäten bildeten zu spezialisiert und zu praxisfern aus. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Wir geben Herrn Ortleb recht. Diese Erkenntnis war für uns auch ausschlaggebend, unser Entwicklungsprogramm zu konzipieren. Das ist für Absolventen da, die im Gegensatz zu den Trainees keine Zusatzausbildung oder Praxiserfahrung haben. Mit diesen Absolventen nehmen wir uns relativ viel Zeit, um sie ins Unternehmen einzuführen und auszubilden. Der neue Mitarbeiter lernt nicht nur seinen Funktionsbereich kennen, sondern auch alle korrespondierenden Abteilungen. Als Produktmanager würde er ebenso ins Controlling, in den Vertrieb oder Außendienst geschickt.
Kann man sagen, daß die Ausbildung an der Hochschule genügt?
Die fachliche Ausbildung an der Hochschule ist soweit o.k., vielleicht sind die Studiengänge zu sehr mit Theorie überfrachtet. Die Studenten versuchen, sich den vielen Stoff lediglich reinzuziehen, aber sie schaffen es oft nicht, ihn zu verarbeiten.
Zu praxisfern wird Ihrer Meinung nach also somit nicht ausgebildet?
Die Absolventen haben zwar viel theoretisches Wissen, können dieses aber zum Teil nicht anwenden. Wenn sie in einem Unternehmen beispielsweise ins Rechnungswesen einsteigen, können sie an ihrem Arbeitsplatz vielleicht ein Zehntel von dem gebrauchen, was sie gelernt haben. Den jungen Leuten fehlt die Praxis. Das könnte optimiert werden.
Wie könnte das ihrer Meinung nach aussehen?
Der Anstoß für eine Zusammenarbeit müßte von der Wirtschaft kommen. Die Wirtschaft muß den Hochschulen sagen, welchen Bedarf sie hat und welche Qualifikationen sie benötigt.
Das Interview führte
Susanne Landwehr
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