Protest vor der deutschen Botschaft

Deutsche Botschaft in Paris fertigt jüdische Demonstranten auf der Straße ab/ Kopie der Rostocker Gedenktafel soll in Frankfurt am Main angebracht werden  ■ Aus Paris Bettina Kaps

Etwa 200 französische Juden haben am Donnerstag abend vergeblich versucht, ein Sit-in vor der deutschen Botschaft in Paris abzuhalten. „Befreit die drei Juden, die in Rostock im Gefängnis sitzen, weil sie Zigeuner verteidigt haben“ und „Deutschland, vergiß deine Geschichte nicht“, hieß es auf ihren Plakaten.

Die Avenue Roosevelt, in der sich die deutsche Vertretung befindet, war jedoch an beiden Enden mit Absperrgittern verrammelt. Über hundert Bereitschaftspolizisten hielten die Demonstranten in Schach. Nur sechs Personen unter Führung von Serge Klarsfeld, dem Vorsitzenden des „Vereins der Söhne und Töchter der deportierten Juden aus Frankreich“, durften sich der Botschaft nähern, vor der sie ein Diplomat aufhielt. „Wir wurden nicht hineingebeten und der Mann war auch nicht zum Gespräch befugt“, berichtete Klarsfeld empört.

In dem Schreiben, das er dem Botschafter übergeben wollte, fordert der Anwalt im Namen seines Vereins die Annullierung des deutsch-rumänischen Abkommens vom 24.September, „das in Wirklichkeit die Deportation von Tausenden von rumänischen Zigeunern sowie von ex-jugoslawischen Zigeunern vorsieht, denen dort die Mißhandlung droht.“ Er verlangt zudem die Freilassung der drei Juden, die sich „den Brutalitäten der Polizei“ in Rostock widersetzt hätten und nun „mit einem Prozeß konfrontiert werden, der niemals hätte in die Wege geleitet werden dürfen.“

Am Montag hatten 46 französische Juden in Rostock gegen den deutschen Rassismus demonstriert, dabei hatte sich ihr „Ordnungsdienst“ Schlägereien mit der Polizei geliefert. Klarsfeld beschrieb, wie selbst alte Juden von der deutschen Polizei mißhandelt wurden, „die an der ersten jüdischen Versammlung in Rostock seit der Kristallnacht teilgenommen haben, um den Deutschen ohne Komplex zu zeigen, welchen Weg sie nicht einschlagen dürfen, um nicht erneut in die Stiefelabdrücke der Nazis zu treten.“

Gemeinsam mit Klarsfeld beschworen auch die Anführer der radikalen zionistischen Gruppen Betar und Tagar, die der israelischen Rechtspartei Likud nahestehen, die Demonstranten, friedlich zu bleiben und sich nicht zu maskieren. In der Nacht zum Mittwoch hatte ein „Komitee zur Solidarität mit den jüdischen Häftlingen in Deutschland“ das Goethe-Institut angegriffen.

Die Tageszeitung Le Monde bedauerte, daß sowohl die französischen Juden als auch die deutschen Behörden durch „Ungeschicklichkeiten Samen für eine Eskalation“ legen. „Darüber gerät das Ziel von Beate und Serge Klarsfeld, nämlich die Solidarität mit den Zigeunern, in den Hintergrund“, hieß es in dem Blatt.

Die Nachrichtenagentur AFP berichtet, daß aus Protest gegen die Verhaftung der jüdischen Demonstranten am Römer in Frankfurt am Main eine Mahntafel angebracht werden soll. Die Aktion soll morgen stattfinden, kündigten „Antirassistische Gruppen“ am Freitag an. Die Inschrift soll den gleichen Wortlaut haben wie die Gedenktafel, die französische Juden am Montag am Rostocker Rathaus angebracht hatten. Polizei und Stadtverwaltung in Rostock hatten die Tafel wieder entfernt. Mit der Gedenktafel sollte gegen das Regierungsabkommen zwischen der Bundesrepublik und Rumänien zur schnelleren Abschiebung von Asylbewerbern protestiert und an die ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Rostock erinnert werden.

In Berlin demonstrierten mehrere Menschen gegen die Inhaftierung der drei französischen Juden. „Während Neonazis ungestört jüdische Friedhöfe schänden und Mahnmale und Gedenkstätten zerstören können, geht der deutsche Staat nunmehr selbst immer schamloser gegen Jüdinnen und Juden vor“, heißt es in einer Erklärung der „Initiative zur Freilassung“ der in Rostock inhaftierten Franzosen.

Stoltenberg: deutsch-französische Beziehungen nicht belastet

Paris (AFP) – Die Kundgebungen französischer Juden in Rostock und die darauffolgenden Zwischenfälle in Paris können nach Ansicht des neuen Koordinators für die deutsch-französischen Kulturbeziehungen, Gerhard Stoltenberg, den Beziehungen zwischen den beiden Ländern nicht schaden. Das erklärte Stoltenberg am Donnerstag in Paris, wo er einen Antrittsbesuch in seiner neuen Funktion machte.

„Es gibt auch kleine Gruppen, die die Konfrontation wollen“, erklärte Stoltenberg. Die mit Rumänien geschlossene Vereinbarung, die keine Personen mit Asylanspruch betreffe, „sollte von Franzosen verstanden werden“, sagte Stoltenberg. Er verwies auf das deutsche Asylrecht, das in seiner bisherigen Form laut Stoltenberg weit großzügiger sei als das aller anderen EG-Staaten. Die Mittel zum Vorgehen gegen Übergriffe auf Asylbewerber sollten schärfer genutzt werden, sagte Stoltenberg. Er bekundete jedoch Verständnis für die Schwierigkeiten der Polizei in Ostdeutschland.