: Wie Auge in Mikrowelle
■ Inistitut warnt vor Elektrosmog durch Rasierer, Funkttelefone, Föns - und Hochspannung
Wie Auge in Mikrowelle
Institut warnt vor Elektrosmog durch Rasierer, Funktelefone, Föns — und Hochspannung
„Keine Beeinträchtigungen in Bremen“ Foto: K.H.
Was verbindet einen Fernseher mit dem Hochspannungsmasten über dem Haus, einem Rasierapparat und dem Funktelefon? Das Stichwort heißt „Elektrosmog“: diese Gerätschaften verursachen alle elektrische und magnetische Felder. Und die WissenschaftlerInnen tappen noch im dunkeln: Beeinträchtigen elektromagnetische Felder die Gesundheit, oder sind sie harmlos? Das Hannoveraner Institut ECOLOG für sozial-ökologische Forschung und Bildung hat niedrige Grenzwerte für die Emission elektromagnetischer Strahlung gefordert.
Elektrische Gerätschaften umgeben uns überall, und nicht nur ECOLOG spricht mittlerweile von einer 'elektromagnetischen Verschmutzung'. „In keinem anderen Bereich, weder zu Lande, noch im Wasser oder in der Atmosphäre wurden durch den Menschen die Bedingungen auf der Erde stärker geändert als der natürliche elektromagnetische Hintergrund“, behauptet ECOLOG. Und vor dem Wohnen unter Hochspannungsmasten wird sogar vom Bundesgesundheitsamt gewarnt.
Besonders gefährdet sind Kinder. Untersuchungen aus den USA und Australien zeigen: Noch in 40 Metern Entfernung von einer Hochspannungsleitung werden magnetische Felder in einer Intensität gemessen, die für Kinder in dieser Umgebung ein doppelt so hohes Krebsrisiko bedeuten kann. Die wissenschaftlichen Ergebnisse sind allerdings widersprüchlich.
Für Bremen ist das angeblich kein Thema: „Wir sind nach besten Wissen und Gewissen zu dem Schluß gekommen, daß es hier keine Beeinträchtigungen gibt“, sagt Heinrich-Peter Berndt, Sprecher der Bremer Stadtwerke: Die Stadt bezieht ihren Strom aus nur zwei Starkstromleitungen, die im Blockland und in Bremen Nord in das Erdkabelnetz gespeist werden. Berndt: „Außerdem sind unsere Leitungen nicht so stark angelegt, und in ihrer Nähe gibt es so gut wie keine Bebauung.“
Außer an der Wartumer Heerstraße in Woltmershausen. Dort berührt eine Hochspannungsleitung fast das Dach eines Hauses, in dem eine Autowerkstatt ihr Domizil hat. „Och nö, davon kriegen wir nichts mit“, sagen die Automechaniker. „Manchmal hört man es summen, aber das ist nicht schlimm“, findet der Parzellen-Gärtner von nebenan.
„Unsere Sache ist es nicht, zu verhindern, daß jemand unter den Hochspannungsleitungen wohnt“, sagen die Stadtwerke. Das Gesundheitsressort hat in Bremen noch keine Messungen vorgenommen. Man halte sich an die Empfehlungen des Bundesgesundheitsamtes, das von einer Bebauung unter Starkstromleitungen abrät.
Elektrosmog kommt aber nicht nur unter Starkstrom vor. Ein bislang unaufgeklärtes Feld sind Symptome wie Kopfschmerzen, Gereiztheit, Allergien, Müdigkeit oder nachlassende Libido bei Menschen, die womöglich einen Radiowecker, einen Fernseher, das Telefon und die Stereoanlage um das Bett herum drapiert haben und sich unerklärlicherweise unwohl fühlen. Genauso wie man Elektrosmog unter Hochspannungsleitungen verdächtigt, zumindest Krebs zu fördern, sind inzwischen Rasierer, elektrische Zahnbürsten, Funktelefone, Föns und Haushaltsgeräte in Verdacht geraten. „Die Felder eines Rasierers sind zum Beispiel höher als die einer Hochspannungsleitung“, sagt der Physiker Thomas Hanisch von ECOLOG. Nur schaltet mann den vermutlich zwischendurch auch mal ab. Auswirkungen könnte der Rasierer aber ebenso leicht haben wie der Fön: Beide Geräte werden direkt am Kopf und damit in unmittelbarer Nähe der Augen benutzt. Und die sind für die Strahlung besonders empfindlich, auch weil elektromagnetische Felder im Körper Wechselströme auslösen, die zu einer leichten Erwärmung des Gewebes führen. Und so beschreibt Hanisch die Wirkung der modernen Mobil-Funktelefone: „Bei jahrelangem Gebrauch geht es dem Auge des Benutzers wie einem Stück Fleisch in der Mikrowelle: die Antenne ist ja direkt am Hörer angebracht.“
Vermutet wird viel, bewiesen ist kaum etwas. „Das ist völlig ungesichertes Wissen“, findet auch der stellvertretende Sprecher der Gesundheitsbehörde, Jochen Eckertz. Die Behörde wartet neue Erkenntnisse ab. Nicht mehr warten will ECOLOG: „Die Regelungen zum Schutz der Bevölkerung sind völlig unzureichend“, sagt das Institut und fordert gesetzliche Emissions- und Immissionsvorschriften, die Aufnahme von elektromagnetischer Belastung in die Umweltverträglichkeitsprüfung, Veränderungen an Haushaltsgeräten und verbesserte Elektroinstallationen.
Was jede selbst tun kann: Der Stecker von Elektrogeräten sollte nach Gebrauch immer herausgezogen, der Abstand zu ihnen möglichst groß gehalten werden. Das Bundesamt für Strahlenschutz rät, Säuglinge nicht neben dem elektrischen Nachtspeicherofen schlafen zu lassen, Kinderzimmer sollten nicht neben Steigleitungen, Warmwasserspeichern oder Stromzählern liegen. Der Radiowecker sollte seinen Platz nicht am Kopfende des Bettes haben. Steckdosen sind übrigens weniger von Übel als elektrische Geräte: Die strahlen im Betrieb sowohl elektrische als auch magnetische Wellen aus, eine Steckdose jedoch nur elektrische. Und gegen die kann man sich relativ leicht abschirmen, zum Beispiel mit einer geerdeten Alufolie. Der Elektrohandel bietet für 120 Mark einen Netzfreischalter an; der wird in den Sicherungskasten eingebaut und trennt den Stromkreis vom Netz, solange kein Strom verbraucht wird. Damit man wenigstens nachts niemand mehr unter Spannung steht. Susanne Kaiser
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