: Ramsch neben Lebensmitteln
■ Auf dem zweiten Markt für Ostprodukte „Made von hier“ gab es viele Waren aus dem Westen/ Großer Besucherandrang
Friedrichshain. „Bringt mir bloß den Sofix-Pudding mit nach Hause“, sagt Dieter. Keine leichte Aufgabe für seine Eltern, denn nach der Wende verschwanden die meisten Ostprodukte aus den Geschäften. Jetzt, nach zwei Jahren Einheit, sehnen sich die Menschen danach zurück. Damit Ostprodukte in den Geschäften bald wieder stärker vertreten sind, organisierten Bezirksamt Friedrichshain und Medienfabrik zum zweiten Mal in diesem Jahr unter dem Motto „Made von hier“ am Wochenende einen Markt nur für Ostprodukte. 180 Erzeuger und Händler folgten der Einladung, sogar aus dem Erzgebirge und Mecklenburg-Vorpommern reisten einige Anbieter an.
Die Sehnsucht nach dem Geschmack und der Qualität vertrauter Produkte lockte die Menschen zu Tausenden in die Karl-Marx- Allee, angeblich 80.000 schon am Samstag. Für die Besucherin Petra Unger schmeckt „Zörbigers Sirup“ einfach süßer, dagegen kommt „Grafschafter Goldsaft“ nicht an, aber „den Geflügelsalat von Expresso kann man seit der Wende nicht mehr essen“. Viele Marken werden wie gewohnt angeboten, schmecken aber anders und schlechter als früher. „Oft sind es Westfirmen, die die übernommenen Ostmarken mit neuem Geschmack liefern“, erklärte ein Mitarbeiter der Firma „Parkmarkt“, einer Handelskette, die ihre Läden überwiegend mit Ostprodukten bestückt.
Weniger nostalgische Erinnerungen an die gute alte DDR-Zeit als die Möglichkeit zu neuen Geschäftskontakten veranlaßten die Händler und Erzeuger, auf dem Markt ihre Stände aufzubauen. Heidemarie Belaschk, Inhaberin einer Konservenfabrik aus dem Spreewald, sucht ihre Chance in der besseren Qualität. „Wir machen Konserven mit frischen Kräutern und stellen um auf biologische Landwirtschaft“ ist ihr Motto für die Zukunft. Privatbetriebe, die ihre Erzeugnisse noch vor zwei Jahren anonym in ein Kombinat einlieferten, müssen sich mit neuem Handelsnamen am Markt behaupten. Kontakte zu Einzelhändlern hat Frau Belaschk schon gefunden, was ihr und vielen anderen Produzenten fehlt, sind Großaufträge von Ladenketten. Befriedigt registrierte sie daher, daß sich auch einige Großhändler für ihren Meerrettich interessiert zeigten.
Bei vielen Besuchern machte sich Enttäuschung breit, daß nur wenige Branchen auf dem Markt repräsentativ vertreten waren. „Wir hatten doch mal eine Textilindustrie, hier sehe ich nichts davon.“ Statt dessen zwischen „made von hier“ auch jede Menge Billigangebote aus Fernost. Auch ein Harburger Fischhändler und ein Herforder Pflanzenverkäufer – eindeutig Wessis – boten auf dem Markt für Ostprodukte ihre Waren feil. Stefan Elsemann
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