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Nanana na nana na na nana?

■ Suche nach dem Ich im Du: Eine Würdigung zum Frühwerk der Marianne Rosenberg

Nanana na nana na na nana?

Suche nach dem Ich im Du: Eine Würdigung zum Frühwerk der Marianne Rosenberg

Einfach, schön und doch tief: die Lieder der Marianne Rosenberg F.: BMG Ariola

Er ist nicht wie Du — Er gehört zu mir — Ich bin wie Du: Selten hat eine Künstlerin die Zerrissenheit der Seele, den Verlust der Identität vor dem Hintergrund des Spiegels im Anderen so eindringlich dargestellt wie Marianne Rosenberg. Schon früh entwickelt die Sängerin aus dem Schock einer nur einseitig geführten Brieffreundschaft ihren roten Faden, ja Strick: Zwölfmal schrieb ich Dir, doch alleine sitzt ich hier, und ich denk' an Dich die ganze Zeit.“ Ende der sechziger Jahre gingen diese Briefe an einen gewissen Paul McCartney, einen Briten. Doch es traf bis heute keine Antwort ein, mußte die damals noch Spätpubertierende eingestehen, und sie befiel ein Gefühl traumatischer Verlassenheit. Seitdem muß sie singen.

Und wie. Von den deutschen Schlagerphilosophen hat die Rosenberg in über 20 Jahren keinen ausgelassen: Von Michael Holm bis Dieter Bohlen, dabei mit hoher Kopfstimme die musikalischen Tiefen eines Joachim Heider nicht scheuend:Wären Trä

Frau mit

Lederjacke

nen aus Gold und Sorgen aus Silber, wär' es besser, nie reich zu sein. Nie wurde ein Satz aus der Aussagenlogik klarer formuliert: Einfach und schön, einfach schön, und doch tief.

Dabei aber nie plump vereinfachend. Wer einer kritischen Werkbetrachtung der Rosenberg standhält, kann minutiös die Auflösung des singenden Ichs im Du bis zum tragischen Verlust der Gesamtmarianne rekonstruieren. In einem ihrer frühen Hauptwerke (Fremder Mann, wahrscheinlich die Folge einer Entfremdungs-Projektion auf diesen Briten aus der Zeit ihrer Pubertät!) klagt die Sängerin bereits über eine partiell auftauchende Seinskrise. Schon seit Tagen, ein paar Tagen, bin ich nicht mehr ich. Sowohl wahrnehmendes Subjekt als auch das Objekt verschwimmen hier bereits in nebulösen Konturen, sind aber als Kerne, als „Fremder Mann“ oder als nur temporär empfundene Aufhebung des Ich (schon seit Tagen, dann einschränkend: ein paar Tagen) noch zu identifizieren.

Die Traszendenz von Subjekt und Objekt wird Mitte der 70er bei der Rosenberg evident. Hieß es in „Fremder Mann“ noch optimistisch nur zwei Schritte, zwei, drei Schritte, trennen mich von Dir, so klingt es wenig später — fast schon überschäumend euphorisch - Ich bin wie Du. Eine echte Auflösung des Ich im Du ist hier aber eher als Ankündigung zu verstehen, der Vollzug der geradezu freiwilligen Selbstaufgabe führt nämlich unter schmerzhaften Erfahrungen über ein Medium: Er ist nicht wie Du bestürmt die Rosenberg in flotten drei Minuten und 28 Sekunden: Die Consecutio des Ich bin wie Du braucht seine Ablehnung im Nichtsein des Anderen: Er ist nicht wie Du, Daraus folgt das Er gehört zu mir, die Vollendung, „die Neunte“ der Rosenberg.

Das Medium, das Nichtsein des Anderen (Er ist nicht wie Du) personifiziert die Rosenberg in Marleen. In diesem Kleinod deutscher Schlagerdramatik arbeitet die Rosenberg bereits im Prolog den Widerspruch zweier Existenzen auf begrenztem Raum ab: Marleen, eine von uns beiden muß jetzt gehn. Das ist umso schwieriger zu bewerkstelligen, weil die Rosenberg mit der Aufstellung ihrer Forderung eingestehen muß: Ein Teil von ihm gehört schon Dir. Der Verlust des Mediums würde so unweigerlich auch einen Teilverlust des Objektes nach sich ziehen. Der Austausch der Persönlichkeiten, die Transzendenz des Objektes (Er) in Marleen unter der Voraussetzung des kategorischen Ich bin wie Du stellt die Sängerin vor entsprechend gravierende Probleme, der sie zunächst ausweichen will: Ich seh Dich an und weiß, daß ich mich nicht mit Dir vergleichen kann. Doch die grundsätzliche Akzeptanz eines zweiten Subjektes dauert ganze vier Minuten vierzehn, dann ist die Schlacht geschlagen, und die Rosenberg darf wenig später jubeln: Er gehört zu mir, wie mein Name an der Tür.

Hier vollzieht sich nun das Wunder: Die Metamorphose, die Auflösung von singendem Subjekt und Objekt. Zwar verdinglicht die Rosenberg das frühere Objekt noch als Türschild, doch darf man schon hier, in der Vollendung eines sicheren und ich weiß er bleibt hier von einer Einheit zwischen Subjekt und Objekt reden, die in fulminanten zwei Minuten sechsundfünfzig vollzogen und bilanziert wird. Ganz nebenbei werden in diesem Höhepunkt der frühen Schaffensperiode der Rosenberg neben der Schilderung des bitteren Weges die Fragen für das Spätwerk schon in geistiger Vorwegnahme formuliert: Nein, ich hab' es mir nicht leicht gemacht, nanana na nana na na nana, mehrmals hab– ich mich gefragt, nanana na nana na na nana...? mad

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