: Vorschlag
■ Kung-Fu meets Cyberpunk – Filmreihe aus Hongkong
Ein Einkaufsbummel in der Kronkolonie Hongkong soll ungefähr so gemütlich sein, wie im Inneren eines Flipperautomaten spazieren zu gehen. Las-Vegas-Neon-Bombardement und megalomanische Riesenhochhäuser stellen das Szenario von „Blade Runner“ längst in den Schatten; riesige Doppeldeckerbusse ziehen wie Luxusdampfer durch die Straßen. Die Angst vor dem Verschlucktwerden von der Volksrepublik China hat sowohl den Modernisierungswahn als auch eine rückwärtsgewandte Romantik beflügelt, und so kommt es, daß viele der Filme ein Gemisch aus Kung-Fu, Dada, Cyberpunk, MTV und Hollywood-Melodram sind.
Noch bis zum 5. November zeigt das Filmkunst 66 einige Highlights und einige Durchschnittsprodukte des Genres. Besondere Aufmerksamkeit widmet die Reihe zu Recht Tsui Hark, dem Maestro der Action-Komödie, der „A Chinese Ghost Story“ produzierte und in den meisten seiner Filme den martialischen Manierismen des Kung-Fu-Genres noch einen drauf setzt, so daß man das Gefühl hat, einen Comic-Strip animiert zu sehen.
„Once Upon a Time in China I“ und „II“ erzählen zum Beispiel die Geschichte des Meisters Wong Fey Hung aus dem 18. Jahrhundert, der ein Ikon zahlloser Schundromane und die Hauptfigur von ungefähr hundert Spielfilmen ist. Zu dieser Pop- Art-Ästhetik, die gerade das Banalste und Schrillste zum x-ten Male ausbeutet, gesellt sich aber ein deutlich politischer Unterton, der durchaus den Schwebezustand der Kronkolonie Hongkong reflektiert: Wong, sein Schüler Fu und seine Herzdame reisen nach Kanton, um dort an einer Versammlung teilzunehmen, die chinesische und westliche Heilmethoden vergleicht. Dort trifft Wong auf Sun Yat Sen, in dem er einen kongenialen Streiter für die chinesische Sache entdeckt. Sie treten unter heftigem Säbelrasseln und Lanzenwerfen in die „Weiße Lotosblume“ ein, eine Art Ku-Klux-Klan gegen alles Nichtasiatische. Besonders englische Besucher des Landes haben in diesem Streifen allerhand Bambule zu überstehen.
Diejenigen Zeitgenossen, denen diese Art von Film zu martialisch ist, seien auf die witzigeren, „Camp“-inspirierten Produktionen aus Hongkong hingewiesen, in denen sich hinter sterbensschönen Damenkleidern haarige Männerwaden verbergen. „Farewell My Concubine“ ist zum Beispiel ein solcher Kunstfilm. Mit Gong Li aus der „Roten Laterne“ in der Hauptrolle, basiert der Film auf einer „Peking Oper“, die mit dem Selbstmord des gefallenen Herrschers und seiner Konkubine endet. Auch hier ist die schönste Frau ein Mann; auf die Art kam die erste krypto-homosexuelle Ehe des chinesischen Films zustande. Der Regisseur Chen nennt erstaunlicherweise „Batman“ als das amerikanische Äquivalent. Mariam Niroumand
„Klassiker des Hong Kong Kinos“ noch bis 5. November, täglich um 22.45 Uhr im Filmkunst 66
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen