: Vor dem Flüchtlingselend nie die Augen verschlossen
■ Be Ruys, Pastorin der niederländischen ökumenischen Gemeinde, ist 75 Sie wünscht sich die Rettung des Hendrik-Kraemer-Hauses für Flüchtlinge
Dahlem. Die jüngste 75jährige von ganz Berlin feiert Geburtstag. Be Ruys, Pastorin der niederländischen ökumenischen Gemeinde und nur auf dem Papier im Ruhestand befindliche Leiterin des für seine Flüchtlingsarbeit berühmten Hendrik-Kraemer-Hauses in Dahlem, wirkt mit ihrer herzlichen, schwungvollen, optimistischen Art jünger als so manche Dreißigjährigen von heute. Und unkonventioneller. Das Pressegespräch und der Empfang zu ihren Ehren, alles ist umrahmt von einem fröhlichen Chaos. Alte und Junge, Christen, Juden und Moslems, Menschen aus Ost und West, Nord und Süd drängeln sich, sie zu umarmen, so daß der Veranstaltungsablauf am Dienstag abend völlig durcheinander gerät.
Und mittendrin eine strahlende, ob all der Aufmerksamkeit aber auch verlegene Be. Eine „charmante Linke“ sei sie immer gewesen, befindet Altbischof Albrecht Schönherr, die „die tierisch ernsten Deutschen mit Humor zu ein bißchen mehr Gelassenheit geführt“ habe. „Ein Pontifex, eine Brückenbauerin“ sei sie, ergänzt Superintendent Martin Krusche, der die Mitbegründerin der Christlichen Friedenskonferenz in Zeiten kennenlernte, als sie in der DDR und ganz Osteuropa den Dialog zwischen Christen und Marxisten organisierte.
Nur ein paar Wünsche, sagt Be, habe sie noch offen. Daß der schwerkranke RAF-Gefangene Bernd Rößner freikomme und der Äthiopier Haile Gabriel Dague, der als Student im Hendrik-Kraemer-Haus wohnte, später Botschafter seines Landes in der Bundesrepublik wurde und nun seit anderthalb Jahren ohne Anklageschrift in Addis Abbeba in einer Zelle sitzt. Auch daß die kommenden Demonstrationen rund um den Jahrestag der Reichspogromnacht erfolgreich sein mögen – Be Ruys erinnert sich nur zu deutlich an die Nazizeit in Holland, wo sie als junges Mädchen mithalf, Juden zu verstecken; einer, der dort im Keller überlebte, ist ebenfalls zur Gratulation gekommen. Ihr größtes Anliegen ist aber, daß die über 40jährige Arbeit im Hendrik- Kraemer-Haus weitergehen könne. Gerade letzteres steht in Frage, weil die beteiligten Kirchen das Haus nach dem Mauerfall nicht mehr länger als Ost-West- Begegnungsstätte finanzieren wollten: das Vertragsverhältnis mit der Evangelischen Kirche der Union soll am 1. Januar beendet werden. Der „Verein der Freunde des Hendrik-Kraemer-Hauses“ will deshalb eine Stiftung gründen, denn mit den Zinserträgen könnte die Miete von 60.000 Mark im Jahr bezahlt werden. 280.000 Mark sind in den letzten 14 Tagen zusammengekommen und noch einiges mehr unter den Geburtstagsgeschenken, aber dennoch reicht das noch nicht. Hanneke Garrer vom Vereinsvorstand hat darum vor, den Berliner Gemeinden eine Art „Adoptionsprogramm“ nahezulegen. Wenn mehrere Gemeinden jeweils einen kleinen Mietanteil übernähmen, dann könnte das Haus abgesichert werden, „damit Be da wohnen kann und die Arbeit nicht beendet werden muß.“ Ute Scheub
Anstelle von Geschenken hat sich Be Ruys Geburtstagsgrüße auf das Konto des Vereins „Freunde des Hendrik-Kraemer-Hauses“ gewünscht: Berliner Bank, Konto-Nr. 2540933681, BLZ 10020000, Kontobezeichnung: „Stiftung“.
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