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Somnamboulevard – Dämonisch dampfende Damen Von Micky Remann

„Sagen Sie, junger Freund, wo drückt uns denn der somnambule Schuh?“ begrüßt Traumtherapeut Dr. Hempel seinen Klienten, der – Du erinnerst Dich – letzte Woche durch den versehentlichen Schritt in eine Frauensauna traumatisiert worden war.

„Alles ist furchtbar“, klagt er. „Seit jenem Ereignis bekomme ich schon bei angezogenen Frauen einen knallroten Kopf. Oft bleiben sogar die Autos stehen, weil sie mich für eine Ampel halten.“ „Aha!“ sagt Dr. Hempel bedeutsam. „Und wie stellt sich Ihr Fauxpas dar, wenn Sie – wie jetzt – davon träumen?“

„Das isses ja, Herr Doktor, mein Schlafwandel hat einen äußerst beunruhigenden Knacks abbekommen. Überall rufen dämonisch dampfende Damen: ,Raus, raus, falsch!‘ Und wedeln mit ihren Handtüchern, bis ich auf Däumlingsgröße geschrumpft unterm Holzrost verschwunden bin. Und das ist noch die am wenigsten peinliche Heimsuchung! In keiner Ecke meines Traumes bin ich mehr sicher!“ – „Ihr Fall ist in der Tat bedenklich“, sagt Dr. Hempel. „Im Grunde fast schon aussichtslos. Aber rein Neugiers halber: Woher wissen Sie eigentlich, daß Sie da jedesmal in Grund und Boden zu versinken haben?“

„Ich denke, das gehört sich so. Oder?“ „Kann sein, kann nicht sein“, sagt Dr. Hempel und pendelt yin-yang-mäßig mit dem Kopf, „und deshalb bitte ich Sie, Folgendes zu träumen. Angenommen, es wäre Nacht, Sie lägen zu Hause im Bett, und unser Gespräch fände demzufolge im Traum statt. Haben Sie's? Ja? Prima. Dafür spricht, daß ich meine Praxis ja auf dem Somnamboulevard und sonst nirgends unterhalte, was im Umkehrschluß heißt, daß Sie mich woanders als im Traum gar nicht finden können. Bin ich verständlich? Schön. Dann schließen Sie bitte die Augen und tun so, als würden Sie in diesem Traum, in dem Sie auf meinem Sofa sitzen, jetzt noch einmal einschlafen. Tun Sie's! Nicht echt, aber so als ob, und geraten Sie dabei, weil Sie das Schild übersehen haben, versehentlich in die Frauensauna. Nur haben Sie jetzt völlig vergessen, was sich gehört und was nicht. Folgen Sie mir? Gut! Was macht jetzt dieser Traummann erstens, zweitens und drittens?“

Auf die Frage hin strafft der Klient seinen Traumköper und träumt, erstens, er öffne die besagte Tür. Alle Frauen rufen: „Buh!“ Aber er entgegnet: „O.k., werde ich es eben nächste Woche noch mal versuchen!“ Und schreitet erhobenen Hauptes von dannen. „Das wäre eine Möglichkeit“, ist Hempels Stimme im Off zu hören, „die zweite ist, wie ich sehe, nicht druckreif, aber was wäre die dritte?“ Der Mann spult zurück und träumt noch mal von vorn. Klappe Traumsauna, die dritte. Tür auf. Ton ab. Die Frauen: „Buh!“ Er: „Na schön, meine Damen, ein Versehen, aber etwa nur meinerseits? Sie bringen doch mindestens so viel an Animus in die Frauensauna wie ich Anima. Denken Sie mal darüber nach, während Ihre X-Chromosomen schwitzen, und würdigen Sie Ihre eigene Androgynität, statt sich über meine zu empören!“ Tosender Applaus und gellende Pfiffe wecken den Schlafwandler, der sich, wenn auch ohne Dampf und Damen, bei Hempels auf dem... aber das hatten wir schon, wiederfindet.

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