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FPÖ will Volksbegehren gegen Ausländer

■ Haider setzt Regierung unter Druck/ Österreich „kein Einwanderungsland“

Berlin (taz) – Jörg Haider hält sich für einen geduldigen Mann. Drei Wochen gäbe er der Regierung noch Zeit, seine Forderungen in Sachen Ausländerpolitik zu erfüllen, verkündete der Chef der rechtsgerichteten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) letzte Woche. Sollte Wien nicht klein beigeben, sei er „gezwungen, die letzte Möglichkeit der Demokratie zu ergreifen und das Volk selbst zu befragen“.

Haiders Ultima ratio: ein „Volksbegehren zum Schutz der Inländer“. Seit dem Ultimatum herrscht Krisenstimmung in Wien. Denn wenn der FPÖ-Chef seine Ankündigung wahrmacht, droht eine Schlammschlacht. Ein „Volksbegehren“ ist ein seltsames Instrument direkter Demokratie mit dem Zweck, außerparlamentarischen Bewegungen die Chance zu Gesetzesinitiativen im Parlament zu geben. Wer im „Einleitungsverfahren“ und der späteren „Eintragungswoche“ mehr als 100.000 Unterschriften für einen Gesetzesantrag sammelt, hat es geschafft.

Die Abgeordneten müssen die Initiative im entsprechenden Parlamentsausschuß debattieren. Das tun sie in der Regel kurz und bündig. Anschließend erklären sie, warum sie den Antrag ablehnen. Insofern wäre Haiders Volksbegehren eine stumpfe Waffe. Im übrigen kann die im Nationalrat vertretene FPÖ Gesetzesvorschläge auch direkt einbringen.

Interessant ist die „Volksbegehrens-Initiative“ für Haider vielmehr zur Propagierung einer politischen Kampagne. Ihm geht es mehr um einen Ideologie-Paragraphen als um konkrete Bestimmungen. Entsprechend vage ist das „Zwölf-Punkte-Ultimatum“. Haider will eine Erklärung, wonach Österreich kein Einwanderungsland sei. Seine Mitarbeiter versuchen das gar nicht zu verschleiern. Volksbegehrens-Initiator Hilmar- Kabas spricht von dem Versuch einer „Kanalisation“ der Emotionen. FPÖ-Generalsekretär Herbert Scheibner sieht in der „Österreich zuerst“-Initiative sogar ein Mittel, ausländerfeindliche Gewaltausbrüche zu verhindern: Es sei ihm lieber, „der Bürger greift zur Feder statt zum Stein“.

Wie selten zuvor stellt sich die österreichische Öffentlichkeit Haiders Polit-Steinwurf entgegen. Politiker der sozialdemokratisch- konservativen Regierungskoalition aus SPÖ und ÖVP reagieren betroffen – gerade jene, die sonst nicht müde werden, Haiders Anti- Ausländer-Politik zu kopieren und womöglich zu übertreffen. Der nicht zuletzt mit den Stimmen der Haider-Fans gewählte Bundespräsident Thomas Klestil erteilt dem Volksbegehren eine Absage. Vizekanzler Erhard Busek, der Chef der konservativen „Volkspartei“ (ÖVP), nennt den FPÖ-Propagandisten „politischer Zwerg“ und „Oberpyromane der Republik“.

Als auch Kritik von der katholischen Kirche kam, verlor der rechte Sonnyboy Haider endgültig die Contenance: Dieser „Kommentar der linken Kirche“ interessiere ihn nicht. Selbst die als Haider-Leibblatt bekannte Wiener Kronen-Zeitung wollte ihrem Schützling zuletzt nicht mehr folgen: Das Boulevardblatt warnte, „daß bei denjenigen Führergestalten, die am meisten vom Volk redeten, eben dieses Volk schließlich am wenigsten zu sagen hätte“.

Angesichts der Anti-Haider- Front geraten manche österreichischen Kommentatoren ins Schwärmen. „Es scheint“, schreibt der konservativ-liberale Kommentator des Kurier, „als hätte die Republik begriffen, daß eine Grenze überschritten wurde.“ Jetzt sei Jörg Haider als „Verhetzungspolitiker“ verschrieen.

Die resignierte Sicht des sozialdemokratischen Innenministers Franz Löschnak scheint da realistischer. Der hat keinen Zweifel daran, daß Haiders Volksbegehren – sollte es zustande kommen– ein Erfolg wird. Robert Misik

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