: Vance und Owen vorgeführt
Serben und Kroaten wollen eine interne Lösung für Bosnien/ Serbenführer Karadžić lehnt Verfassungsentwurf für Bosnien ab ■ Aus Genf Andreas Zumach
Der Plan einer neuen Verfassung für Bosnien-Herzegowina, mit dem die staatliche Einheit der Republik erhalten werden sollte, ist vom Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, abgelehnt worden. Der von den Jugoslawien- Vermittlern Lord Owen und Cyrus Vance ausgearbeitete Entwurf scheint damit gescheitert zu sein, noch bevor sich der UN-Sicherheitsrat am Mittwoch abend in New York mit ihm befassen konnte. Owen und Vance trafen am Mittwoch morgen in Belgrad ein, wo sie mit der Führung Rest- Jugoslawiens über die Situation in Bosnien beraten wollten.
Nach dem Entwurf von Vance und Owen soll in Bosnien-Herzegowina künftig keine der drei ethnischen Volksgruppen mehr überstimmt werden können. Das ist das leitende Prinzip im Entwurf für eine künftige Verfassungsstruktur der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik. In dem gestern in Genf veröffentlichten Dokument sind zwar noch keine Details geregelt. Doch Martti Ahtisaari, der im Auftrag der beiden Vorsitzenden der Genfer Jugoslawienkonferenz, David Owen und Cyrus Vance, den Entwurf ausarbeitete, bezifferte gegenüber der taz die notwendige Mehrheit für derartige Entscheidungen der künftigen nationalen Legislative auf „etwa 90 Prozent“. Vorgesehen sind zwei Parlamentskammern: ein von allen BürgerInnen Bosnien-Herzegowinas gewähltes Unterhaus sowie ein Oberhaus, das von den Regierungen der künftig vorgesehenen sieben bis zehn Provinzen beschickt wird. Die Posten in der nationalen Exekutive sollen „ausgewogen“ besetzt werden, wobei die vorgeschlagene Verfassungsstruktur noch offenläßt, ob die drei Volksgruppen proportional zu ihrer Stärke oder gleichgewichtig vertreten sein sollen. Für die Spitzenpositionen — etwa das Präsidentenamt — ist eine Rotation zwischen den drei Volksgruppen vorgesehen, ähnlich der Regelung in der bislang existierenden Verfassung. Entsprechende Regelungen sollen auch für die Parlamente und Exekutivorgane der Provinzen gelten. Die höchsten Gerichte, vor allem die Gerichte zur Klärung von Verfassungs- und Menschenrechtsfragen sollen für eine Übergangszeit mit ausländischen Richtern besetzt werden. Auch die künftigen Streitkräfte Bosnien-Herzegowinas sollen zumindest in der Anfangsphase nach Inkrafttreten der neuen Verfassung internationaler Aufsicht unterstellt werden. Weitergehende Eingriffe in die Souveränität Bosnien-Herzegowinas — etwa durch Unterstellung unter ein UNO-Protektorat — lehnte Ahtisaari „zumindest zum jetzigen Zeitpunkt“ ab. Ahtisaari äußerte die „Hoffnung, daß die serbische Delegation doch einiges findet, dem sie zustimmen kann“. In Belgrad schätzen Beobachter diese Möglichkeit jedoch als gering ein. Denn nachdem auch Kroatien eine interne Ex-jugoslawische Regelung favorisiert, müßten die internationalen Institutionen schon starken Druck ausüben, um ihre Verfassung durchzusetzen. Dies sei jedoch nach dem bisherigen Vorgehen der UNO und der Europäischen Gemeinschaft unwahrscheinlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen