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Balkonbläser und Stiefel-Jazz

■ Das 17. Jazz-Festival in der Fabrik bietet Geheimtips statt teurer Superstars

Im Programm des diesjährigen 17. Jazz-Festivals in der Fabrik fehlen die Publikumsmagneten. Große Namen (etwa Salif Keita) verlangen inzwischen die dreifache Gage als vor vier Jahren und das wirkt sich aus aufs Programm. Manu Dibango ist allerdings viel mehr als ein kostengünstiger Ersatz. Der 60jährige Tenorsaxophonist aus Douala/Kamerun war der erste Vertreter aus dem schwarzen Afrika, der seine heimatlichen Klänge mit der westlichen Tradition paarte und damit via Frankreich in der Welt Erfolg hatte. Sein afrikanischer Funk-Jazz-Hit „Soul Makosa“ liegt fast zwanzig Jahre zurück. Der in Paris lebende Musiker ist stets auf der Suche und beim Ausprobieren. Dibango tritt am 20.11. in einem Doppelprogramm mit dem Tenorsaxophonisten Courtney Pine auf. Der 26jährige wird als der neue Jazz- König auf den britischen Inseln gefeiert. Der in London geborene Sohn jamaikanischer Eltern ist stark von Coltrane beeinflußt, verbindet seine Solikunst aber mit afrikanischem Untergrund.

Eröffnet wird das Festival aber am 19.11. im Zeichen der Schlagzeuger. Der avantgardistische Trommler aus Dresden Günter „Baby“ Sommer inszeniert mit Crams Percussion Staff eine „Klangperformance mit Balkonbläsern“. Während Sommer jeden Gegenstand zu einem Instrument erklärt, wird der Ex-Genesis-Drummer Bill Bruford mit seiner Gruppe Earthworks den Chips-Innereien Klänge entnehmen. „Zwischen Rock-Technologie und Jazz-Sensibilität“ hat sich Bruford einen beeindruckenden Freiraum geschaffen. Das dritte Ensemble des Abends formiert sich um den Hamburger Schlagzeuger Mark Neuseef. Mit den beiden Gitarristen Miroslav Tadic und David Torn und dem angesehenen Kölner Trompeter Markus Stockhausen bietet die Formation Snakes alles denkbare zwischen indonesischem Gamelan, orientalischer Folkore und Jazz.

Die Entdeckung der italienischen Jazz-Szene war das eigentliche Ereignis der sommerlichen Jazz-Festivals in Europa. Am 21.11. reisen drei Formationen vom „Stiefel“ nach Altona. Die Sängerin Tiziana Ghiglioni könnte die Entdeckung des Festivals werden. Mit ihrem Quartett und dem gefühlvollen Klarinettisten Gianluigi Trovesi singt die Mailänderin klassische Jazz- und eigene Kompositionen. Das Quintett des Trompeters Paolo Fresu bietet soliden Main-Stream-Jazz ohne Überraschungen. Neues hat allerdings der Pianist und ordentliche Professor am Konservatorium von Frosinone, Enrico Pieranunzi, zu bieten. Zwischen Bill Evans und Keith Jarrett hat er seine eigene Klangwelt gefunden, die er mit einem Trio aufführt.

Der Kontrabaß steht im Mittelpunkt des letzten Tages des Festivals. Am 22.11. tritt, neben Quintet Moderne um den Bassisten Teppo Hauta-Aho und L'Orchestre de Contrabasses, das Quartett des Bassisten Charlie Haden auf. Haden ist einer der letzten „Großen“ der alten Garde und einer der wenigen, der den Jazz noch als politisches Forum versteht. So auch der jüngere Klarinettist Don Byron. Der New Yorker spielt mit seinem neunköpfigen Ensemble am Vormittag des gleichen Tages Musik von Mickey Katz, jenem Komponisten, der mit Schlagerparodien bekannt wurde. Nikos Theodorakopulos

19.-22.11., Fabrik, jeweils 21 Uhr, Don Byron am 22.11. um 11.30 Uhr

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