: Musikarbeiter
■ Chris von Rautenkranz - Tontechniker und Produzent
1
2Am Anfang war Konfirmation. Chris von Rautenkranz, heute 25 Jahre alt, erinnert sich gern zurück. Das Fest brachte genau 900 Mark und der Konfirmierte machte sich auf den Weg von Pinneberg-Nord nach Hamburg. „Ich dachte, ich müßte jetzt Musik machen, das ist bestimmt klasse“. Außerdem stand fest: „So ein Synthesizier kann sowieso alles, dachte ich, ist ja mit Tasten, kann man also beherrschen, nicht so schwierig wie Gitarre“. Dachte er also und ließ sich ein zweieinhalb Oktaven kurzes Exemplar aushändigen. Zu Hause wollte nicht so recht Begeisterung ausbrechen, als der Junge ersten Kontakt mit dem monophonen, hamstergroßen Kasten aufnahm. „Irgendwie machte das Ding nur pfott-pfott und wutte-wutt und Mutter war natürlich entsetzt, weil das viele gute Konfirmationsgeld weg war“, grinst er heute.
Gemeinsam mit seinem drei Jahre älteren Bruder Carol ging Chris dann eines nach dem anderen an. Elektro-Pop machen, dann Band gründen: Mothers's Pride. Als die Gruppe 1987 Die-Gants hieß, produzierten beide im eigenen 8-Spur-Studio und brachten ihr Debüt Fishing For Compliments als erste Veröffentlichung auf dem Flohlabel L'Age D'Or von Carol und Pascal Fuhlbrügge heraus.
Chris spezialisierte sich auf Tontechnik. Was er dazulernte, merkten Musiker und Musikerinnen vor allem daran, daß er akustische Vorstellungen immer zielstrebiger verwirklichen konnte. Wie außergewöhnlich brillant und akustisch detailliert unter seiner Regie auch mit wenig Gerät aufgenommen werden konnte, wurde das erste Mal 1990 mit dem Debüt der Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs deutlich.
„Zu produzieren bedeutet für mich, sich schon vorher eingehend mit dem Material der Gruppe auseinandersetzen“, erklärt Chris, inzwischen Teilhaber im Hamburger 24-Spur-Studio Soundgarden. Zusammenarbeit ist ihm mehr wert, als Gruppen mit seinem persönlichen „Markensound“ zu behandeln. Auch nach 18monatiger Ausbildung an der Berliner School of Audio Engineering interessiert sich der Wahlhamburger zuerst für den speziellen Klang von Bands und erst dann für die Rolle der Technik. „Hermann Hermann von den Lassie Singers wollte ohne jeden elektronischen Firlefanz Sound machen. Seine Sichtweise zu verstehen war anfangs schwierig und dann richtig spannend“, so Chris. Der Mix für das neue Lassie Singers-Album Sei a Go-Go ist auch seine erste größere Arbeit für eine nicht-Hamburger Band. Ein Kompliment für bisherige Produktionen. Aber hier nur mit den „immerselben Gruppen von Blumfeld über Erosion, Cpt. Kirk &. bis zu Hallelujah Ding Dong, Girls Under Glass oder den Suppenwürfeln alle drei Jahre neue LP's zu machen, wäre nicht das Gelbe“.
So facettenreich es da auch zuging: „Als die Rock-a-Billy-Mafia abgemischt wurde, schaute Sänger Harbeck kurz mal gut bedröhnt rein und brubbelte: 'Chris, meins' du nich', der Bass is' zu leise?' Ich sagte: Harbeck, raus! Und acht Stunden später war die Scheibe fertig, alle fanden es klasse.“ Schon schwieriger wird es für Chris, wenn sich jemand wie Blumfelds Andre Rattay als gelernter Grafiker mit akustischen Zeichnungen verständigen will. Oder bei gesungenen Soundvorschlägen. Pfott-pfott, wutte-wutt. Tobias Levin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen