: Bremer Theater vor neuem Defizit
■ Heyme wird schon seinen ersten Etat um eine Million überziehen / Helga Trüpel: „Mit mir bestimmt nicht“
Der Mann fürs Geld hat nichts mehr zu hoffen: „Für Einsparungen ist es längst zu spät“, sagt Rolf Rempe, Verwaltungschef des Bremer Theaters. In vier Wochen muß er sich vor seinen Aufsichtsrat schleppen und eine brisante Hochrechnung vorlegen: Um rund eine Million Mark wird wohl der Intendant Heyme sein Haushaltssoll überschreiten — mit einer Grandezza, die nun selbst seinen Verwaltungschef gegen ihn aufbringt: „Mein Vertrag sieht keine Zauberkunststücke vor“, sagt Rempe, „dagegen habe ich eine Reputation als Kaufmann zu verlieren“.
Helga Trüpel, die eine Reputation als Kultursenatorin zu verlieren hat, wenn sie sich vom Intendanten kleinkriegen läßt, weiß „von Gerüchten, daß Heyme dabei ist, das Geld mit vollen Händen auszugeben“, und will erst recht hart bleiben: „Es gibt keinen Pfennig zusätzlich. Das müßte ich doch den andern wegnehmen.“ Als erstes hat sie, die nebenbei dem Aufsichtsrat der Theater-GmbH vorsitzt, sich schon mal vorgenommen, den Unbotmäßigen per Sendschreiben zurechtzuweisen. Auch für den Fall, daß, wie bereits gemunkelt wird, Heyme mit seiner Demission drohen könnte, ist sie gewappnet: „Dann muß er das machen. Es gibt auch noch andere.“
Damit sind nun eine ganze Menge Boxhandschuhe verteilt. Heyme nämlich will von einem Defizit in seinem Haus noch gar
Rolf Rempe, Verwaltungsdirektor des Theaters, weiß auch nicht mehr so recht: „Mein Dienstvertrag sieht eigentlich keine Zauberkunststücke vor“Foto: Falk Heller
nichts gehört haben („da wissen Sie mehr als ich, der ich ja nur auf meinen Proben rumhocke“), sagt aber auf die Frage, ob mit dem Etat auszukommen sei, klipp und knapp: „Das geht nicht“ — und trifft ohnehin in einem fort Entscheidungen, die neben ihm den Kaufmann Rempe zwangsläufig peinigen.
Erstens sind die Produktionen technisch um vieles aufwendiger geworden. Zwar spielt man dafür an wesentlich weniger Tagen als noch zu Richters Zeiten,
hierhin bitte
den umdüsterten
Mann
das senkt die Personalausgaben, aber leider auch ein wenig die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern. Zweitens läßt Heyme sich sein Ensemble gut was kosten: Um ein ganzes Drittel sind die Gehälter im Vergleich mit der Ära Richter gestiegen. „Wer will, daß Margit Carstensen hier und nicht in München spielt, muß eben ein bißchen bezahlen“, sagt Heyme.
Auch Gastregisseure gehn bei ihm gern ins Geld: Allein 100.000 Mark strich Terry Hands für sei
nen bemäkelten „Boccanegra“ ein. „Dafür hätte man zweieinhalb andre gekriegt“, sagt Rempe. „Es läßt sich trefflich drüber streiten, ob höhere Kosten gleich höheres Niveau bewirken“.
Es läßt sich nicht nur. Schon lang schwelt es diesbezüglich zwischen Rempe und Heyme. Bloß dumm, daß das umstrittene Geld gar nicht vorhanden ist — eine Tatsache, für die Rempe bei allem Ärger nicht auch noch verantwortlich gemacht werden will: „Da funktioniert das Zusammenspiel zwischen künstlerischer und kaufmännischer Leitung noch kaum. Leider ist das aber im Grunde ein Stellvertreterkrieg, der dem Theater nur schadet.“
Dabei ist es schon schwach genug: Für die ganz gewöhnlichen Betriebsausgaben ist nunmehr
„Ob höhere Kosten gleich höheres Niveau bewirken?“
gleich gar kein Geld mehr da; die Gebäude und Maschinen erleben gerade „die Reparaturen der Reparaturen der Reparaturen“ (Rempe), und all die zehntausend Buchungen müssen noch immer, mangels EDV, „zu Fuß“ getan werden. Geradezu überfällig ist also jetzt, sagt Rempe, die politische Debatte um die Grundfrage, welches Theater sich die Stadt überhaupt noch leisten will — und ob es ein Dreispartenhaus sein soll.
Umso bedenklicher, wenn das Theater, eh schon „hart an der Grenze der Illiquidität schlingernd“, jetzt unbekümmert anfängt, einen neuen Berg von Schulden vor sich aufzuschieben, wie es mit dröhnendem Mißerfolg Gönnenwein in Stuttgart versucht hat.
„Wer sich auf dieses Bugwellenmodell einläßt“, sagt Rempe, „der endet mit dem Hut in der Hand vorm Amtsgericht. Da mach ich nicht mit.“ Manfred Dworschak
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen