Vermittlung ist gescheitert

Bosnische Serben und Kroaten lehnen den Verfassungskompromiß von Vance und Owen ab/ Nationalisten wollen „ethnisch reine“ Zone  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Genf (taz) – „Die Serben sind immer die Gewinner, auch wenn sie verlieren.“ Siegesgewiß begründete Nikola Koljevic, Stellvertreter des bosnischen Serbenführers Radovan Karadžić, am Mittwoch abend in Genf die Ablehnung des „völlig unannehmbaren“ Verfassungsvorschlages für Bosnien-Herzegowina: Zum einen werde den Serben darin nicht nur der ursprünglich geforderte eigene Staat, sondern auch die „ethnisch reine“ Zone in einer Gesamtnation Bosnien-Herzegowina „verweigert“. Zum zweiten sei der Vorschlag zur Bildung einer gemeinsamen Armee aus serbischen, kroatischen und muslimanischen Truppen „völlig unrealistisch“. Und schließlich müsse vor der Vereinbarung einer neuen Verfassung ein Waffenstillstand erfolgen „und nicht umgekehrt“.

Daß vor allem die anhaltenden serbischen Angriffe auf bosnische Städte einen solchen Waffenstillstand verhindern, will Koljevic nicht wahrhaben. Mit großzügig gemeinter Geste bietet er zwecks Schaffung einer „ethnisch völlig reinen“ Serbenzone einen Austausch von noch nicht endgültig „bereinigten“ Gebieten an. Serben und Kroaten seien bereit, „in eigener Entscheidung“ einen Teil der von ihnen inzwischen kontrollierten 90 Prozent des Staatsterritoriums an die Muslimanen „abzutreten“. Wie groß der Teil sein darf, will Koljevic „künftigen Verhandlungen“ überlassen. Auch für das „Problem“ ethnisch gemischter Ehen – in Sarajevo immerhin 40 Prozent – hat der Serbenführer eine „Lösung“ parat: „Wenn der Mann Serbe ist, kann das Paar auch weiterhin in der Serbenzone leben.“

Die Autoren des Verfassungsvorschlags, die Vorsitzenden der Genfer Jugoslawien-Konferenz, Cyrus Vance und David Owen, wirft Koljevic vor, sich allem entgegenzustellen, was die Menschen in Bosnien-Herzegowina wirklich wollen. Das könne „nicht funktionieren“. Und er droht, die Serben könnten „sehr böse werden“, falls Vance und Owen versuchen sollten, ihre Pläne durchzusetzen.

Zur selben Stunde, als Koljevic in Genf mit unzweideutigen Worten die Grundprinzipien des Verfassungsvorschlags ablehnt, halten sich in Belgrad Vance und Owen noch an einem Strohhalm fest und verbreiten weiter Illusionen. Karadžić hat Vance in einem ersten Gespräch „zugesagt“, das Dokument zunächst „gründlich zu studieren“. Vielleicht finde er „ein paar annehmbare Elemente“. Mit EG-Unterhändler Owen hat der Serbenführer eine Begegnung abgelehnt. Wie um Karadžić bei Laune zu halten, vereinbarte Vance mit Karadžić eine Aufweichung des vor Wochen getroffenen und bislang nicht eingelösten Abkommens über den Abzug aller serbischen Kampfflugzeuge und Hubschrauber nach Rest-Jugoslawien. Jetzt – so der als „Erfolg“ verkaufte „Kompromiß“ – dürfen die Waffen, die in den letzten Tagen bei serbischen Angriffen eingesetzt wurden, auf den Flughäfen bei Banja Luka und anderen serbisch kontrollierten Städten verbleiben.

Gestern abend platzten auch die letzten Illusionen. Konzilianter im Ton, aber ebenso unzweideutig in der Sache lehnt in Genf auch der bosnische Kroatenführer Mate Boban den Verfassungsvorschlag von Vance und Owen in seinen wesentlichen Prinzipien ab. Andreas Zumach