piwik no script img

„Es riecht nach einem Komplott“

■ Der Schriftsteller Günter Wallraff zu den Stasi-Vorwürfen der „Bild“-Zeitung

taz: Herr Wallraff, in der Anklageschrift gegen den früheren DDR-Spionagechef Markus Wolf wird behauptet, Sie hätten unter dem Decknamen „Walküre“ für die Stasi gearbeitet.

Günter Wallraff: Diese alte, neu aufgequirlte „Super“-Kacke ist durch das Gerichtsverfahren gegen „Super“ längst widerlegt. In dem Prozeß hat der MfS- Oberstleutnant Günter Bohnsack wörtlich ausgesagt, daß es sich bei „Walküre“ „nicht um einen personenbezogenen Decknamen“, sondern um eine die polnische Gewerkschaft Solidarność betreffende hochangesiedelte Aktion gehandelt habe, „die nichts, rein gar nichts“ mit mir zu tun gehabt habe.

Wie ging der Prozeß aus?

Der Prozeß ist voll zu meinen Gunsten verlaufen, aber noch nicht mit einem Urteil abgeschlossen, weil der „Super“-Informant, der Ex-MfS-Hauptmann Eberlein, sich bisher der Gerichtsladung entzogen hat. Inzwischen ist ein Bußgeld gegen ihn verhängt worden, und wenn er im November wieder nicht erscheint, dürfte er wohl zwangsvorgeführt werden. Dieser Mann ist inzwischen einer falschen eidesstattlichen Versicherung, die er gegenüber „Super“ gemacht hat, überführt. Er hat lange vor der „Super“-Verleumdung bei einer Vernehmung durch das Bundeskriminalamt das genaue Gegenteil erklärt. Ich zitiere aus dem BKA- Protokoll vom 27.11.1991 wörtlich: „Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte für mich zu der Annahme, daß Wallraff bei diesen Kontakten [gemeint sind jene Kontakte, die Wallraff im Zusammenhang mit der Nutzung von DDR-NS-Archiven hatte, d. R.] erkannt hat bzw. hätte erkennen müssen, daß X dem MfS angehörte. Vom Hörensagen weiß ich, daß Wallraff von der Abteilung IX/11 [Nazi-Archiv Hohenschönhausen] für seine Veröffentlichung Material erhalten hat. Auch hierzu ist mir nicht bekannt, ob Wallraff wußte, daß er mit dem MfS in Verbindung stand. Weitere Erkenntnisse zu der Person Wallraff liegen mir nicht vor.“ Später hat er dann gegenüber „Super“ seine Hirngespinste losgelassen. Nach der Veröffentlichung von „Super“ hat die Bundesanwaltschaft Eberlein am 4.3.1992 besucht. Dabei hat der unter Rechtfertigungsdruck stehende Eberlein die ganze Geschichte noch einmal wiedergekäut. Die haben das dann ungeprüft in eine Passage der Anklageschrift von Wolf übernommen. Als Informant dafür diente einzig Eberlein. Die Bundesanwaltschaft hat ihn bei der Befragung nicht einmal mit der BKA-Aussage konfrontiert. Sie hat auch mich niemals zu dem Schwachsinn gehört. Eberlein ist im übrigen im MfS selbst zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er sich sogenannte Agentengelder über Jahre in die eigene Tasche steckte, für Agenten, die er vorgab zu führen, die aber von ihrem Glück gar nichts wußten.

Es heißt in der Wolf-Anklageschrift, für Sie seien „Grenzschleusungen“ durch die Stasi „arrangiert“ worden.

Das ist völliger Blödsinn. Wenn ich in die DDR ging, stand ich wie alle anderen in der Schlange. Niemand hat mich da rausgeholt oder irgendwas arrangiert.

Gibt es ein Ermittlungsverfahren gegen Sie?

Nein, das ist ja das Empörende. Wenn es das gäbe, hätte ich wenigstens die Möglichkeit gehabt, diesen Schwachsinn auszuräumen. Ich will zugunsten der Bundesanwaltschaft annehmen, daß die Tatsache, daß sie mich nie angehört haben, nur auf einer ungeheuren Schlamperei beruht, denn ansonsten müßte ich von einem Komplott ausgehen, mit dem alleinigen Ziel, mich zu diffamieren.

Haben Sie eine Vermutung, warum ausgerechnet die „Bild“ die Anklageschrift in die Hände bekommen hat?

Keine Vermutung, sondern ich weiß, daß die Papiere der „Bild“ am Rande des CDU-Bundesparteitages in Düsseldorf über eine alte Schiene des Bundesinnenministeriums, die „Bild“ ständig bedient, zugeschoben wurden. Interview: Walter Jakobs

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen