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Das Schwinden der Tapsigkeit

■ Frauensportwoche: Impessionen von einem Volkstanzkurs / Weit mehr als Schuhplattler

Impressionen von einem Volkstanzkurs / Weit mehr als Schuhplattler

Fünfzehn Frauen fassen sich an den Händen. Gehen zwei Schritt nach rechts, einmal vor und zurück, einen Schritt nach links. Nach diesen Trockenübungen erklingt Musik, eher ruhig, etwas fremdartig. „Die Bojarka ist ein Tanz aus Jugoslawien“, klärt die Kursleiterin auf. Nach einer Dixieland-Polonaise zum Aufwärmen bildet sie den Einstieg in den zweitägigen Workshop „Volks- und Folkloretänze“, der am vergangenen Wochenende im Rahmen der Frauensportwoche veranstaltet wurde.

Für die Tanzpädagogin Andrea Emmrich ist es der erste Workshop dieser Art. Sie unterrichtet seit Jahren Frauen in Gesellschaftstanz und Rock'n'Roll. Am Volkstanz reizt sie „die ungeheure Vielfalt der Tänze aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen und die nahezu unbegrenzten Möglichkeiten, einfache Grundmuster nach Lust und Laune zu variieren“.

Durch Assoziationen wie Trachtenvereine, Ernst Mosch, Schuhplattler, Ringelpiez veralbert, fristet der traditionelle Tanz hierzulande ein Nischendasein. Die deutsche Geschichte tut ein übriges, begeisterte VolkstänzerInnen in die reaktionäre Miefecke zu stellen. Das verkrampfte Verhältnis zu Rheinländer oder Polka steht jedoch in einem fast paradoxen Gegensatz zu der Unbefangenheit, mit der Frauen in Bauchtanzkurse strömen oder auch zu dem in wachsenden Kreisen nicht totzukriegenden Enthusiasmus für Irish Folk.

FolkloretänzerInnen geht es indes nicht um ein Wiederaufwärmen althergebrachten Kulturgutes, sondern um das gemeinschaftliche Erleben. Konkurrenzdenken, das den Paartanz für etwas Ungeübte leicht in Streß ausarten läßt, ist hier fehl am Platze. Zwar erfordern die Schrittfolgen einige Konzentration — die Frauen geraten unversehens ins Schwitzen, als sie die scheinbar leichten Trippelschritte und Fußstampfer des griechischen Podiaki dem Tempo der Musik anpassen sollen —, aber: „Perfektion ist mir nicht so wichtig“, beruhigt Andrea Emmrich.

So legt sich auch bei blutigsten Anfängerinnen die anfänglich selbstempfundene Tapsigkeit sehr schnell, und das drohende Kuddelmuddel beim ersten Squaredance- Versuch — „Irish Washer Woman“ — wird mit allgemeinem Gelächter quittiert. Auch die Fortgeschrittenen scheinen sich nicht zu langweilen. „Ich bin hergekommen, um mir etwas Einfaches abzugucken, das ich auch Kindern beibringen kann“, sagt Inken, deren eigene Vorkenntnisse unübersehbar solide sind. Außerdem ist der Workshop für sie eine Gelegenheit, „sich mal wieder etwas intensiver zu betätigen“. Ihre Mittänzerinnen sind durch diesen Kurs inspiriert worden, ihre frischerworbenen Kenntnisse zu pflegen. Marlene Reimers

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