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Flüchtlinge mit Artillerie beschossen

■ Auf schneebedeckten Pfaden flüchten über 15.000 Menschen aus Jajce/ 25.000 sind in Travnik angekommen/ Serbische Nationalisten beschließen die Gründung eines serbischen Staates

Berlin (dpa/taz) – Unbeschreibliche Szenen spielen sich in den bosnischen Bergen ab: Der lange Treck von Flüchtlingen aus der von der jugo-serbischen Armee eroberten Stadt Jajce wird von Scharfschützen und Artillerie beschossen. Verwundete werden von den Flüchtenden über die schneebedeckten Bergpfade geschleppt. Wie die erschöpften Flüchtlinge berichteten, hätten serbische Scharfschützen oder Artillerie- Überfälle immer wieder hohe Verluste in den Reihen der wehrlosen Männer, Frauen und Kinder gefordert. Vereinzelt hätten moslemisch-kroatische Verbände die serbischen Angriffe aufgehalten. Glücklicher waren jene Flüchtlinge, die mit Traktoren, LKWs oder Bussen den 50 Kilometer langen Weg nach Travnik fahren konnten.

Erst 25.000 Flüchtlinge erreichten gestern die zentralbosnische Stadt. Dort erhielten sie Erste Hilfe und warmes Essen von den örtlichen Behörden und westlichen Hilfsorganisationen. Die UNHCR schickte von der kroatischen Hafenstadt Split aus einen Konvoi mit Medikamenten und Lebensmitteln in die Berge, auch Angehörige eines britischen UNO-Bataillons beteiligten sich an der Versorgung der erschöpften Flüchtlinge. Angesichts der unübersichtlichen Lage ist noch unklar, wieviele Opfer die Flucht aus Jajce gefordert hat.

Ungeachtet aller Friedensbemühungen und Initiativen von Vereinten Nationen und Europäischer Gemeinschaft beschlossen die Serben aus Bosnien-Herzegowina und Kroatien die Bildung eines gemeinsamen Staatsgebietes. Bei einer gemeinsamen Sitzung der „Parlamente“ der bosnischen und kroatischen Serben in Prijedor (Bosnien) verabschiedeten die selbsternannten „Abgordneten“ eine Erklärung, nach der die von ihnen besetzten Gebiete in den beiden Staaten einheitliche verfassungsrechtliche und wirtschaftliche Grundlagen erhalten sollten. Nach ihren Vorstellungen sollte sich später auch die Mutterrepublik Serbien diesem Gebilde anschließen. Bosniens Serbenführer Radovan Karadžić sah kein Hindernis für die sofortige Ausrufung eines serbischen Staates auf dem Balkan, „spätestens aber bis Frühjahr 1993“. Beobachter sprachen in diesem Zusammenhang von einer Brüskierung von UNO und EG, die in ihren Vermittlungsbemühungen weiterhin die Grundidee verfolgen, daß die Grenzen nicht gewaltsam verändert werden dürfen. Jetzt müßten nach Ansicht von Beobachtern in Genf die Unterhändler Vance und Owen sich eingestehen, daß die Verhandlungen lediglich dazu dienten, vom gleichzeitig stattfindenden Vormarsch der serbischen Armee abzulenken.

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