■ Europa im Krieg: „Wir haben nicht nur geredet“
Mit den beiden hier abgedruckten Beiträgen beschließen wir – vorläufig – die Reihe „Europa im Krieg“. Der ungarische Literat François (Ferenc) Fejtö, 1909 geboren, lebt seit 1937 in Paris. Er war unter anderem mit Arthur Koestler befreundet, hatte in der französischen Resistance mitgearbeitet, konnte aber auch im kommunistischen Ungarn nicht mehr heimisch werden. Auf deutsch ist sein Hauptwerk „Geschichte der Volksdemokratien“ erschienen (Eichborn Verlag).
Seyla Benhabib ist 1950 in Istanbul geboren, hat bei Jürgen Habermas studiert und lehrt heute an der New School for Social Research in New York. Auf deutsch ist ihre Untersuchung der Kritischen Theorie („Kritik, Norm und Utopie“) erschienen, von 1986 bis 1991 hat sie dem Herausgebergremium der Zeitschrift Praxis International angehört.
Die taz-Serie ist inzwischen – wenigstens zum Teil – unter dem selben Titel als Buch in der edition suhrkamp erschienen, herausgegeben von Willi Winkler, der sie auch für uns betreut hat. Niemand konnte definitive Antworten auf die Fragen erwarten, die der Krieg in Jugoslawien stellt. Willi Winkler schreibt in seinem Vorwort zur Buchausgabe: „Für berufsmäßige Bedenkenträger ist die Welt ein wenig komplizierter geworden. Mögen sie ruhig weiter ihrer Sorge Ausdruck verleihen und es dann bei Resolutionen bewenden lassen. Es fehlt in Deutschland, in Westeuropa überhaupt, an Verständnis für das, was sich in Ost- und Südosteuropa ereignet. Und es genügt auch nicht, Dunja Raiter auf dem Münchner Marienplatz Zigeunerlieder singen zu lassen und anschließend Spenden zu sammeln. Geld haben wir genug, es bedürfte, wie immer, der Aufklärung.
Die taz hat Anfang 1992 Kollegen Salman Rushdies in aller Welt aufgefordert, an den vom Tod bedrohten Autor zu schreiben, damit er in seinem Versteck nicht völlig vergessen werde. Wenn Rushdie in diesen Tagen durch die Bundesrepublik reisen kann, gewiß nur eine geliehene Freiheit, verdankt er das auch diesem Einsatz. Diese Aktion hatte unter anderem die Serie ,Europa im Krieg‘ zur Folge, die seit dem 8. August hier erschienen ist.
Ausnahmsweise sollten nicht die eilfertigen Protestanten und Berufsbetroffenen mitreden, sondern ich habe mich fast ausschließlich an Schriftsteller, Philosophen, Wissenschaftler aus der Region gewandt und sie gebeten, dem Westen die Lage nach Auflösung der Blöcke zu erläutern.
Niemand sollte Gelegenheit zur Rechthaberei bekommen, in ihrer gewünschten Einseitigkeit sollten die Beiträge sich vielmehr ergänzen. Einige Wunschautoren fehlen, aus verschiedensten Gründen. Milorad Pavic hat nicht geantwortet (der Beitrag von Svetlana Slapsak läßt einen begreifen, warum), der Regisseur Emir Kusturica, der schon zugesagt hatte, fürchtete dann doch lieber um sein Leben; Elias Canetti versicherte uns wenigstens der Sympathie.
Wo immer in Ost- und Südosteuropa Schriftsteller und Intellektuelle zusammenkamen, wurden die Beiträge der taz-Serie diskutiert. Es konnte nicht darum gehen, Intellektuellen schon wieder Versagen vorzuwerfen; der Krieg in Jugoslawien ist für die eindeutige Parteinahme peinlich ungeeignet. Wir wissen auch nicht, wer recht hat in Jugoslawien oder gar, wer recht bekommen soll nach einem Friedensschluß. Aber wenigstens haben wir informiert und nicht nur geredet.
Das ist wenig genug: In Jugoslawien ist der Krieg noch längst nicht zu Ende, für die Bevölkerung beginnt mit dem Winter das Leiden erst.“
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