: Lauter(e) Leute
In 475 Jahren ■ vom gemeinen zum ehrbaren Kaufmann
Je zwei „Älterleute“ der drei Gesellschaften der Flandern-, England- und Schonenfahrer und der Zollherr des Rates — das war 1517 der Vorstand des „Gemeinen Kaufmanns“, der mit Hilfe der Obrigkeit die Handels- und Sicherheitsinteressen der hamburgischen Kaufleute in und außerhalb der Stadt wahrnehmen sollte. Der „Gemeine Kaufmann“, der im späteren 16. Jahrhundert zum „Ehrbaren Kaufmann“ wurde, war das erste Organ kaufmännischer Selbstverwaltung in Hamburg. Die Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns, heute ein eingetragener Verein, feiert das 475. Jubiläum in dieser Woche mit einem Festakt in der Handelskammer.
Der Verein blickt auf eine lange und wechselvolle Tradition zurück, in der sich die Geschichte Hamburgs, seiner Wirtschaft und Gesellschaft spiegelt. Zum Beispiel der Niedergang der Hanse, der eine zunehmende Selbstorganisation wirtschaftlicher Interessen in den einzelnen Städten erforderlich machte. So kümmerte sich der Gemeine Kaufmann zunächst um die Schiffsabfertigung, Konvoibildung und Aufsicht über Schiffer und Besatzungen.
Doch schon bald erstreckten sich seine Aufgaben auf weitere kaufmännische Belange wie Maßnahmen gegen steigende Tuchpreise. Nach der Gründung der Börse 1558 — der ersten in Deutschland — konzentrierten sich die Kaufmannsvorsteher immer stärker auf die Verwaltung der Börse und des damit verbundenen Botenwesens, das zur Nachrichtenübermittlung diente.
Gegenüber den oft autoritären Behörden fehlte dem Ehrbaren Kaufmann jedoch ein legitimiertes Vertretungsorgan und eine innere Organisation. Dies änderte sich 1665, als der englisch-niederländische Seekrieg neue Bedrohungen für den Handel hervorrief. Aus einem zunächst als Beschwerde- und Schutzgremium geplanten Ausschuß entstand als dauerhafte Vertretung der Hamburger Kaufleute die Commerzdeputation, die Vorläuferin der Handelskammer. Sie wurde aus dem Konvoigeld der Schiffe finanziert und von der Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns gewählt.
Heute, wo das Kammerwesen einheitlich per Gesetz geregelt ist, hat der Ehrbare Kaufmann andere Aufgaben. Die Versammlung wurde 1954 von der Handelskammer neu gegründet, nachdem 1943 das Mitgliederregister vorübergehend geschlossen wurde. Der Verein bemüht sich heute um die Verbreitung wirtschaftsethischer Grundsätze, dazu gehören Maßnahmen zur korrekten Preisauszeichnung und zur lauteren Werbung. Der hanseatische Verein engagierte zum Jubiläum einen hanseatischen Redner: Den Festvortrag hält am Donnerstag der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt. dpa
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