: Major zittert vor den Tory-Rechten
■ Britisches Unterhaus stimmt heute über Maastricht ab
Dublin (taz) – Der rechte Tory- Flügel hat das Messer bereits gewetzt: Mindestens 30 konservative Abgeordnete wollen heute abend im britischen Unterhaus gegen die Maastrichter Verträge stimmen, obwohl Premierminister John Major in den vergangenen Tagen fieberhaft versucht hat, die „Rebellen“ in Einzelgesprächen auf seine Seite zu ziehen. Major bezeichnete sich selbst als „größten Euro-Skeptiker im Kabinett“. Industrieminister Michael Heseltine warnte, daß eine Niederlage der Regierung „unvorstellbare Zerstörung“ anrichten würde. Und David Hunt, der Minister für Wales, fügte hinzu: „Die Leute spielen mit dem Feuer, wenn sie glauben, daß die Regierung bei den Maastrichter Verträgen niedergestimmt werden kann, und am nächsten Tag würde sich alles wieder beruhigen.“
Die Grabenkämpfe bei den Torys werden aus dem Oberhaus gesteuert, wo Majors Vorgängerin, Baronin Margaret Thatcher, inzwischen ihre Zelte aufgeschlagen hat. Ihr langjähriger Vertrauter Cecil Parkinson, der ebenfalls im Frühjahr ins House of Lords befördert worden war, sagte am Montag abend: „Die Regierung scheint die Kontrolle verloren zu haben, und das ändert die Situation. Jede Regierung macht mal Fehler, aber hier handelt es sich offenbar um eine Serie.“ Die Tory-Rechten haben Blut geleckt: Nachdem mit dem Austritt aus dem Europäischen Wechselkursmechanismus und dem – zumindest kosmetischen – Stillegungs-Moratorium in der Bergbauindustrie die Eckpfeiler der Majorschen Wirtschaftspolitik eingestürzt sind, wollen sie ihn nun zum Ausstieg aus den Maastrichter Verträgen zwingen. Darüber hinaus fordern sie den Kopf des Wirtschaftsministers Norman Lamont. Er soll durch einen Thatcheristen ersetzt werden.
Die Uneinigkeit der Oppositionsparteien könnte jedoch Majors Rettung sein. Die Labour Party, die im Prinzip für die Ratifizierung der Maastrichter Verträge ist, sowie die schottischen und walisischen Nationalisten werden heute abend gegen Maastricht stimmen. Dadurch, so argumentieren sie, würde die Regierung stürzen, aber die Verträge könnten später dennoch ratifiziert werden.
Viel hängt davon ab, wie die neun Abgeordneten der nordirischen Ulster Unionist Party stimmen werden. Die Liberalen Demokraten haben sich jedoch bereits entschieden, mit der Regierung zu stimmen. Ihr Vorsitzender Paddy Ashdown warf der Labour Party Blauäugigkeit vor. „Major mag die Abstimmung über Maastricht verlieren“, sagte er, „doch wenn er dann am Donnerstag die Vertrauensfrage stellt, gewinnt er sie.“ Neuwahlen, auf die Labour spekuliert, hält Ashdown für ausgeschlossen. Das würden die Tory- Hinterbänkler, die um ihre Sitze fürchten müßten, zu verhindern wissen. Ralf Sotscheck
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