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Hilflose Diktate Von Tullio De Mauro

Ob wir jemals zu einer europäischen Kultur kommen werden, hängt zuallererst davon ab, wie weit die europäische Integration voranschreiten wird – nicht nur die des politischen und institutionellen Lebens, sondern auch die der alltäglichen sozialen Zusammenhänge. Die zweite Frage ist, in welchem Zeitraum wir zu dieser Integration kommen — und ob auf dem Weg dorthin nicht gerade das verlorengeht, was man „Kultur“ nennen kann. Die dritte Frage ist schließlich, ob wir in dieser Zeit eine gemeinsamer Sprache entwickeln, über die der Austausch der regionalen Kulturen untereinander sowie die dialektische Auseinandersetzung mit einer „europäischen“ Kultur erfolgen könnte.

Es reicht nicht aus, bestimmte Bereiche zu vereinheitlichen oder in herkömmlicher Weise Kulturaustausch zu betreiben. Es gibt kaum Beispiele für übergreifende Kulturen, die durch Beschlüsse oder Vereinigungspakte herbeigeführt wurden und die gleichzeitig starke Autonomie für regionale oder minoritäre Kulturen zulassen. Und es gibt umgekehrt auch keine Beispiele, nach denen der regierungsamtliche Segen für das Überleben regionaler Kulturen deren Fortbestehen garantiert hätte. Von oben diktierte Entwicklungen sind zumeist eher Zeichen von Hilflosigkeit.

Das Problem, vor dem wir heute stehen, sind jedoch zudem vor allem die innerhalb eines Volkes mitunter streng voneinander getrennten schichten- oder berufsspezifischen Kultursektoren. Das Management und die Politik haben eigene Teilkulturen entwickelt, und wer auf europäischer Ebene mitmischen will, muß hier zu übergreifenden Strukturen kommen. Die Bauern im Bayerischen Wald und in den Abruzzen haben ebenfalls eigene Kulturen — aber sie können ruhig weiterleben, ohne sich kulturell einander anzunähern. Ob es je zu einer „globalen“ europäischen Kultur kommt, scheint ebenso zweifelhaft wie die Garantie des Weiterbestehens der heutigen regionalen Kulturen. Erzwingen kann man in der Kultur nichts.

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