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■ Nach dem knappen Abstimmungssieg Majors im UnterhausEine Debatte um nichts

Das knappe Votum des britischen Unterhauses für die Maastrichter Verträge hat Premierminister John Major eine Atempause verschafft — mehr nicht. Der Eiertanz, den er im Vorfeld der Debatte vollführte, wird ihn spätestens bei der dritten Lesung der Verträge wieder einholen. Major interpretiert Maastricht je nach Bedarf: dem Parlament erzählt er, daß dadurch Großbritanniens zentrale Rolle in Europa zementiert werde, während er den Euro-Gegnern in seiner Partei gleichzeitig zuflüstert, daß die Verträge in Wirklichkeit den Einfluß Brüssels einschränken würden und im Kern antieuropäisch seien. Es zeugt von der Schwäche und Orientierungslosigkeit Majors, daß er sein politisches Überleben vom Erfolg seiner Verwirrungstaktik abhängig macht.

Die politische Bühne gehört zur Zeit dem rechten Tory-Flügel. Das hat bereits ihr Mini-Aufstand gegen die geplanten Stillegungen der Bergwerke vor zwei Wochen bewiesen. Es ist bezeichnend für den maroden Zustand britischer Politik, daß sich ausgerechnet die Tory-Rechten jetzt als Vertreter der nationalen britischen Interessen in Europa und Beschützer der Bergleute aufspielen können. Schließlich sind diese selbsternannten Verfechter moralischer Werte dieselben Leute, die für einen thatcheristischen Kurs plädieren, die die Privatisierungspolitik bedingungslos unterstützten und damit die Rekordarbeitslosigkeit in Kauf genommen haben, die schließlich 1984 den Angriff der damaligen Tory-Regierung auf die Bergarbeiter mitgetragen haben. Der Eindruck, daß nur mit ihrer Hilfe Zugeständnisse von der Regierung erkämpft werden können, ist für die Labour Party gefährlich.

Doch von Labour sind ohnehin keine neuen Impulse zu erwarten. Die Eiertanzkünste ihres Parteiführers John Smith stehen denen von Major in nichts nach. Den Widerspruch, einerseits für die Maastrichter Verträge zu sein, andererseits den Antrag auf rasche Ratifizierung eben jener Verträge abzulehnen, versuchte Smith mit rhetorischem Geschick zu lösen, indem er die Unterhaus-Debatte zu einer „Diskussion um nichts“ erklärte. Es gibt zu denken, daß Smith immer dann in einer parlamentarischen Debatte brilliert, wenn es um nichts geht. Ralf Sotscheck

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