: Major kam mit blauem Auge davon
Das britische Unterhaus stimmt mit äußerst knapper Mehrheit für Maastricht/ 26 Gegenstimmen aus dem Regierungslager/ Eine hochgespielte Debatte, die eigentlich überflüssig war ■ Von Ralf Sotscheck
London (taz) – Der britische Premierminister John Major ist bei dem Machtkampf mit dem rechten Tory-Flügel mit einem blauen Auge davongekommen. Nach einer sechsstündigen turbulenten Debatte stimmte das Unterhaus Mittwoch nacht mit einer Mehrheit von nur drei Stimmen für den Antrag der Regierung, den Ratifizierungsprozeß der Maastrichter EG-Verträge fortzusetzen.
Bis zum Schluß der Debatte war unklar, wie viele Euro-Gegner unter den Konservativen gegen die Regierung stimmen würden. Major hatte das Votum vor zwei Wochen zur Vertrauensfrage hochgespielt und für den Fall einer Niederlage seinen Rücktritt angekündigt, diese Drohung jedoch später zurückgenommen.
Am Ende stimmten 26 Tories gegen den Regierungsantrag, 12 enthielten sich. Die Konservativen verfügen seit den Wahlen im April nur noch über eine Mehrheit von 21 Mandaten. Da die 20 Abgeordneten der Liberalen Demokraten jedoch den Antrag unterstützten, konnte Major aufatmen. Er warf der Labour Party „Betrug“ vor, da sie ihre „proeuropäische Politik für eine Politik der politischen Berechnung“ über Bord geworfen hätten. „Die Kernfrage ist einfach“, sagte Major. „Werden wir eine zentrale Rolle bei der Entwicklung Europas spielen, oder werden wir das nicht tun?“ Labour-Chef John Smith behauptete dagegen, bei der Debatte gehe es gar nicht um die Maastrichter Verträge. Major benutze die Debatte bloß dazu, das entschwundene Vertrauen in seine Politik wiederherzustellen. Deshalb stimme die Labour Party gegen den Antrag, obwohl man nach wie vor für die Ratifizierung eintrete.
Von Vertrauen in den angeschlagenen Premier kann bei dem knappen Votum keine Rede sein. Major hatte sich den erneuten Machtkampf mit dem rechten Parteiflügel freilich selbst eingebrockt. Die Abstimmung war völlig unnötig, da das Unterhaus die Maastrichter Verträge bereits im Frühjahr in erster und zweiter Lesung abgesegnet hat. Und die dritte Lesung findet vermutlich erst im nächsten Jahr statt. Major ging es bei dem Antrag vor allem darum, den EG-Partnern die proeuropäische Haltung der Regierung zu demonstrieren, um beim EG-Gipfel in Edinburgh Zugeständnisse bei der Definition des „Subsidiaritätsprinzips“ herauszuholen. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, daß die Euro-Gegner in seiner Partei so weit gehen würden, die Tory- Regierung aufs Spiel zu setzen. Das habe er in seiner „gesamten politischen Laufbahn noch nie erlebt“, sagte der konservative Ex- Premier Edward Heath, der den rechten Parteiflügel während der Debatte heftig kritisierte. An Major richtete er jedoch den Vorwurf, daß dieser „darin versagt hat, mit einigen der größten Schwierigkeiten fertigzuwerden, vor denen das Land seit 1945 steht“.
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