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Eine Frechheit mit System!-betr.: "Streibl heuchelt nicht" (Kurzmeldung), taz vom 29.10.92

betr.: „Streibl heuchelt nicht“ (Kurzmeldung), taz vom 29.10.92

[...] Nach den Rostocker Krawallen hatte Streibl nichts Besseres zu tun, als Verständnis für den Mob zu bekunden, der, auch das ist mittlerweile deutsche Realität, vor Mord und Totschlag nicht mehr zurückschreckt; ein tröstendes, solidarisches Wort für die Opfer dieser und nachfolgender Krawalle kam diesem Ministerpräsidenten nicht über die Lippen, nein, er erweckte vielmehr den Eindruck, daß die an Leib und Leben bedrohten Menschen eine Mitschuld an ihrer Lage trügen.

[...] Hanna Laurien bezeichnete die Art und Weise, wie Streibl seine Teilnahme an der Demonstration abgesagt hat, als eine Frechheit. Ja, aber eine Frechheit mit System!

In diesen Tagen werden so gerne Parallelen zu den letzten Jahren der Weimarer Republik gezogen. Radikale und extremistische Gruppen und Parteien sollen die erste deutsche Demokratie zu Grabe getragen haben. Die neuere Geschichtsforschung spricht dagegen von einem Mangel an Liberalität, von einem Mangel an demokratischer Kultur der Öffentlichkeit und politischen Klasse, die den Weg in die Diktatur geebnet haben. In dieser Tradition steht auch der unsägliche Streibl. [...] Bernd Josef Wagner, Bielefeld

[...] Diese Demonstration sei eine reine „Schauveranstaltung“, heißt es da. Eine vernichtende Kritik zweifellos, in der Herr Streibl ein überraschendes analytisches Geschick unter Beweis stellt. Sicher, jeder Besitzer eines Fremdwörterbuches hätte schon aus dem Wort „Demonstration“ (von lat. demonstrare=bezeichnen, beweisen) herauslesen können, daß es nun einmal gerade der Sinn einer solchen Veranstaltung ist, der Öffentlichkeit etwas zu „schauen“ zu geben... Aber daß es einer so scharf auf den Punkt bringt, alle Achtung, Herr Streibl.

[...] Der Auftritt in „Schauveranstaltungen“ kann Herrn Streibl doch nicht grundsätzlich zuwider sein, jeder Auftritt vor dem Bayerischen Landtag, jedes Zeitungsinterview beweist das zur Genüge. Es kann also wohl nur darum gehen, daß er nun gerade auf dieser Veranstaltung nicht gesehen werden will. Bleiben die Fragen: Von wem will er da nicht gesehen werden? Und: Mit wem zusammen will er nicht gesehen werden?

Doch halt: Diese Fragen sind rein rhetorischer Natur. Aus den Antworten hat Herr Streibl eigentlich nie ein Hehl gemacht. Ludwig Hendrix, Krefeld

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