: Notwendig zu führende Diskussion-betr.: "Migrantenpolitik auch anderswo ein Wunschtraum", taz vom 23.10.92
betr.: „Migrantenpolitik auch anderswo ein Wunschtraum“,
taz vom 23.10.92
Entschuldigung bitte, aber manchmal muß man deutlich werden: was schreibt Ihr [...] nur für einen Unfug. Ich habe in meinem Vortrag im Wiesbadener Landtag zunächst die Vorteile eines politisch-subjektiven Nationalstaatsverständnisses und die institutionellen Folgen (z.B. beim Problem der Staatsangehörigkeit) herausgearbeitet. Dann habe ich auf die weitaus größere Zahl von Einwanderern im Vergleich zur Bundesrepublik hingewiesen. Schließlich habe ich – und nur hierauf geht Ihr Bericht in äußerst verzerrender Form ein – auf einen wichtigen, nein: den allerwichtigsten Unterschied hingewiesen: der sozialen Integration der Einwanderer, d.h. derer, die schon längere Zeit da sind, in Deutschland steht die rechtliche Integration der Immigranten in Frankreich gegenüber. Und schließlich habe ich einen Schluß gezogen, der eindeutig und klar formuliert war (und kaum wegen etwaigen „Nicht-Verständnisses“ mißverstanden werden konnte). Zunächst habe ich gesagt, daß die rechtliche Integration anscheinend besser gegen Gewalt schützen würde als die nur soziale Integration. Meinen letzten Satz möchte ich dann zitieren: „Der rechtliche Ausschluß zusammen mit einem totalen sozialen Ausschluß, so wie er zur Zeit für die Asylsuchenden in der Bundesrepublik real ist, erweist sich u.U. als lebensgefährlich: für die Angegriffenen selbst und für die Demokratie.“
Daraus habe ich zum Schluß auch politische Forderungen gezogen, die allerdings gegen eine Ethnisierung der Politik nach dem englischen Modell sprechen:
–Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts;
–eine Regulierung im nachhinein für alle Anwesenden (also auch alle, die jetzt nicht anerkannt hier leben);
–Diskussion einer Antidiskriminierungspolitik auf individualistischer Grundlage sowie die Einrichtung eines „Diskriminierungs- bzw. Antidiskriminierungsberichtes“ (wie z.B. der Jugendbericht, aber kein: „Ausländerbericht“).
Nochmals meine These: Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind in Frankreich alltäglich. Da die rechtliche Integration und Gleichheit gewährleistet ist (bei fortdauernder sozialer Ungleichheit), wird mit den Fremden anders umgegangen. Vor allem der Schutz des Staates ist garantiert – sehr viel weitergehender als in der Bundesrepublik. In Ihrem Bericht steht das Gegenteil. Dies ist sehr bedauerlich, denn dies verhindert eine notwendig zu führende Diskussion zwischen einem ethnisierenden Modell und einem individualisierenden Modell. Das Verhältnis des Staates zur Ethnizität wird anders gedacht. [...] Dr.Uli Bielefeld, Hamburg
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