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Naher Osten: Warten auf Bill Clinton

Die gestern wiederaufgenommenen bilateralen israelisch-arabischen Verhandlungen dienen den beteiligten Parteien vor allem zur Sondierung der zukünftigen US-Politik  ■ Von Amos Wollin und Ivesa Lübben

Tel Aviv/Kairo (taz) – Der israelische Ministerpräsident Rabin hatte wohl recht, als er vor ein paar Tagen erklärte, daß es bis zum Frühjahr 1993 weiterhin „irgendwie Bewegung“ im Nahost-Friedensprozeß geben werde, „aber nichts darüber hinaus“. Die gestern in Washington fortgesetzte siebte Runde der bilateralen Nahostverhandlungen, die zunächst bis zum 20. November fortgesetzt werden sollen, stehen ganz im Zeichen der jetzt begonnenen „Phase des Übergangs“ bis zur Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Bill Clinton Mitte Januar. Alle Verhandlungsparteien werden die Gespräche nutzen, um Fäden zur neuen US-Administration zu knüpfen und sich auf mögliche Veränderungen in der US-Außenpolitik einzurichten.

In Jerusalem wird angenommen, daß sich die neue Regierung dem Friedensprozeß im Nahen Osten weniger intensiv widmen wird als die alte. Die „Phase des Übergangs“ gilt als gute Gelegenheit, Fakten zu schaffen: So werden seit Sonntag erneut Stellungen der Hisbollah im Südlibanon von der israelischen Luftwaffe bombardiert, was die Hisbollah gestern wieder mit Raketenbeschuß auf das israelisch-libanesische Grenzgebiet beantwortete.

Auch wenn man die Wahl Clintons in Israel mit Freude aufgenommen hat, weisen israelische USA-Experten darauf hin, Israel müsse sich auf eine Kürzung der US-Finanzhilfe vorbereiten, die gegenwärtig bei 50 Prozent der vom Kongreß bewilligten Auslandshilfe liegt. Widerstand regt sich auch gegen die mögliche Ernennung des früheren US-Präsidenten Jimmy Carter zum neuen amerikanischen Nahostbeauftragten. Angeblich wurde von der pro- israelischen Lobby in Washington auch eine Kampagne gestartet, die verhindern soll, daß Warren Christopher, ein führender State-Department-Beamter aus Carters Amtszeit, zum neuen Außenminister ernannt wird.

In Washington will die israelische Delegation in den Gesprächen mit Syrien verschiedene Modelle eines Teilrückzugs präsentieren, damit die israelischen Siedlungen in allen Teilen des Golan weiterbestehen können. Einige Abgeordnete der Arbeiterpartei unter Führung von Wirtschaftsminister Schimon Schitrit haben vorgeschlagen, daß Israel den Teil des Golan, aus dem sich Israels Truppen zurückziehen sollen, von Damaskus käuflich erwerben oder pachten sollte. In Jerusalem hofft man, daß die Clinton-Regierung für derlei Projekte gewonnen werden kann. Es ist jedoch schwer vorstellbar, daß der syrische Präsident solche Bedingungen annimmt.

Im PLO-Hauptquartier in Tunis ist man, anders als in Damaskus oder Kairo, über den Ausgang der US-Wahlen kaum beunruhigt.

Palästinensisch-jordanische Irritation

Clintons proisraelische Äußerungen im Wahlkampf hält man in der PLO-Zentrale für Taktik; jetzt habe er Kontinuität in der Außenpolitik zugesagt. Die Forderung nach Einhaltung der Menschenrechte als außenpolitisches Kriterium müsse auch auf Israel Anwendung finden. Wenn erfahrene Nahostpolitiker wie Ex-Präsident Carter oder dessen ehemaliger Berater William Quandt bei der Ausformulierung der US-Außenpolitik tatsächlich federführend sein würden, sei sogar an eine Wiederaufnahme des 1989 abgebrochenen Dialogs zu denken.

Sorgen bereitet der PLO neuerdings jedoch die jordanische „Wendepolitik“. Die PLO-Führung ist alarmiert, seit die Westbank mit Ostjerusalem und der Gaza-Streifen in der soeben vereinbarten israelisch-jordanischen Tagesordnung für die gestern wiederaufgenommenen bilateralen Nahostgespräche nicht mehr als „besetzt“ bezeichnet werden, sondern als „Gebiete unter israelischer Militärverwaltung“. Damit solle den Palästinensern der Status eines unter ausländischer Besatzung lebenden Volkes verweigert werden, fürchtet Exekutivkomiteemitglied Suleiman Najab. Statt dessen wolle die israelische Führung sie als „ethnische Minderheit“ behandeln. Rabin habe die Palästinenser schon früher mit den Basken in Spanien verglichen.

In dem Dokument, dessen genauer Wortlaut letzte Woche bekannt wurde, wird außerdem Bezug auf die britische Mandatsgrenze zwischen dem früheren Palästina und Jordanien genommen – als mögliche Basis zukünftiger israelisch-jordanischer Regelungen. Dies könnte als impliziter Verzicht Ammans auf die Westbank gewertet werden, die ja vor dem Sechstagekrieg zu Jordanien gehörte. Das könnte der palästinensischen Forderung nach Souveränität über dieses Gebiet buchstäblich den Boden entziehen.

Auch in der Flüchtlingsfrage haben sich die Jordanier weitgehend dem israelischen Sprachgebrauch angepaßt. Unter Punkt 4 der vereinbarten Tagesordnung heißt es, beide Seiten wollten nach einer „gerechten und auf dem Völkerrecht basierenden Lösung“ der Aspekte des Flüchtlingsproblems suchen, die „von beiderseitigem Belang sind“. In einem Memorandum, das die PLO der jordanischen Führung am Wochenende überreichte, wird beklagt, daß dadurch die Diskussion über die Zukunft der palästinensischen Flüchtlinge in Jordanien von der Behandlung der übrigen Flüchtlinge abgetrennt werde. Die UN-Resolution 194, die das Recht der Palästinenser auf Rückkehr in ihre Heimat fordert, bleibe völlig unerwähnt. Aus einem Volk mit legitimem Anspruch auf Selbstbestimmung werden Gruppen von Flüchtlingen – ein Sozialfall.

In Tel Aviv feierte man die neue Tagesordnung als „Durchbruch“. Sie soll nach israelischer Vorstellung vor allem die Palästinenser unter Zugzwang setzen. Sollten es die Palästinenser in nächster Zeit versäumen, eine ähnliche „Tagesordnungs“-Übereinkunft mit Israel zu treffen wie die Jordanier, drohe den Palästinensern die politische Isolation in dem ohnehin schwachen Bund der arabischen Verhandlungspartner, lautet die Botschaft der Israelis. Die palästinensische Führung steht aber mehr und mehr unter dem Druck der palästinensischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten, unnachgiebiger aufzutreten oder aus den Verhandlungen auszusteigen.

In Amman hat die Regierung hingegen versucht, die ganze Angelegenheit mit dem Argument herunterzuspielen, die neue Tagesordnung sei noch kein völkerrechtlich bindender Vertrag und ließe sich schließlich wieder ändern. Der jordanische Ministerpräsident Zaid ben Schaker tröstete eine Delegation des palästinensischen Exekutivkomitees mit den Worten, Jordanien werde nur „im Rahmen einer Globalregelung“ einen Friedensvertrag mit Israel abschließen. Aber gegenüber palästinensischen Forderungen nach Modifikationen der Tagesordnung blieb er hart.

Daß die Behörden jede Diskussion über dieses Thema zu vermeiden suchen, zeigt, wie brisant das Thema in Jordanien ist. In der Grundsatzrede des Königs zur Lage der Nation vom letzten Donnerstag wurde es mit keinem Wort erwähnt. Nur die Zeitung der Moslembrüder Al-Rabita druckte einen kritischen Kommentar, der jedoch in weiten Teilen der Zensur zum Opfer fiel – fast zeitgleich mit der Aufforderung des Königs an die Araber, mehr Demokratie zu wagen.

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