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Okay der Industrie zu Dioxin-Verordnung

Vor Weihnachten sollen strengere Grenzwerte für Dioxine das Kabinett passieren/ Flammschutzmittel besonders betroffen/ Verband der Chemischen Industrie hat zugestimmt  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) will dem allgegenwärtigen Supergift Dioxin jetzt mit einer neuen Verordnung zu Leibe rücken. Das sagte der Minister auf einem internationalen Expertensymposium gestern in Berlin. „Die Dioxin-Verordnung soll noch vor Weihnachten durch das Bundeskabinett.“ Der Minister gab sich betont aufgeräumt. Schließlich hat der gefürchtetste Gegner, die Chemieindustrie, der Verordnung im Prinzip zugestimmt. Im Manuskript für Töpfers Eröffnungsrede heißt es frohgemut: „Die Verordnung wird in Kürze (Einigung mit dem VCI besteht) dem Kabinett zugeleitet.“

Töpfer will mit der Verordnung Grenzwerte für weitere Gifte aus der Gruppe der Dioxine festlegen und bestehende Grenzwerte verschärfen. Für sogenannte polybromierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane, in denen nicht Chlor, sondern Brom Auslöser der Gefahr ist, sollen erstmals Grenzwerte eingeführt werden. Die bromierten Verbindungen sind die Folge von Flammschutzmitteln, die in Gehäusen von Fernsehern und Computern, aber auch in Leiterplatten der Elektronikindustrie Verwendung finden.

Obwohl gesetzgeberische Maßnahmen nach Töpfers Angaben „zu einer deutlichen Entlastung“ bei neu in die Umwelt gelangenden Dioxinen geführt habe, liegt die Belastung der deutschen Bevölkerung mit dem Sevesogift immer noch zu hoch. Töpfer räumte gestern ein, daß jede/r BundesbürgerIn täglich etwa zwei Picogramm (0,000000000002 Gramm) Dioxin Toxiditätsäqivalent (TE) pro Kilo Körpergewicht esse oder einatme. Die Abkürzung TE besagt, daß die Giftigkeit der verschiedenen gemessenen Dioxine auf die Gefährlichkeit des Seveso-Dioxins umgerechnet wird.

Trotz der vielen Nullen ist der Wert doppelt so hoch, als das Bundesgesundheitsamt und Umweltbundesamt für empfehlenswert halten. Hohe Dioxinbelastungen in der Muttermilch hätten in den Niederlanden zu Schädigungen der Schilddrüse bei Kleinkindern und zu Gehirnblutungen geführt, so der Kieler Toxikologe Otmar Wassermann kürzlich.

Aus Müllverbrennungsanlagen, den größten Dioxinschleudern, sollen zwar 1996, wenn die alten Anlagen alle nachgerüstet sind, nur noch 4 Gramm Dioxin TE pro Jahr in die Luft gehen. Aber andere Giftquellen spucken weiter. Qualmende Autoauspüffe, das Recycling von Aluminium und Schrott sowie die Chlorverarbeitung in der chemischen Industrie tragen zu der schleichenden Vergiftung bei. Öffentlich wird die Gefahr häufig erst bei PVC-Bränden, wie kürzlich im westfälischen Lengerich. Für 1989/90 schätzt die EG- die bundesweiten Dioxinemission auf 1.5 bis 12.5 Kilo pro Jahr.

Während Töpfer gestern vor irrationalen Ängsten warnte und mehrfach auf die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation hinwies, die erst ab einem Wert von 10 Picogramm Aufnahme pro Kilo Körpergewicht und Tag Maßnahmen fordert, empfiehlt die staatliche Umweltbehörde der USA, die EPA, einen Vorsorgewert von 0,006 Picogramm, also ein Dreihundertstel der derzeitigen deutschen Belastung. Die US- Amerikaner rechtfertigen ihre Strenge mit der Vorgabe, krebserregende Stoffe müßten grundsätzlich soweit minimiert werden, daß sie nicht mehr als einen zusätzlichen Krebstoten pro eine Million Einwohner fordern. Töpfer sah gestern zwar „keinen Anlaß, diesen Wert von vorneherein zu diffamieren“, meinte aber gleichzeitig, er bemerke nicht, daß die Amerikaner sich anstrengten, „daß sie diesen Wert auch erreichen“.

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