: Tennis: Alter in Schönheit
Tennis: Alter in Schönheit
Big Mac Enroe schlägt Stich / Tobendes Publikum beim Altherrendoppel in der Stadthalle
Tennismäßig ist die BremerIn ja nicht gerade verwöhnt. Wann verirrt sich schonmal jemand aus der Elite ins kleine Bremen? Antwort: Zum Beispiel am Montag, und da sogen die entwöhnten Fans hochklassiges, spannendes, unterhaltsames Tennis auf wie ein trockener Schwamm. Michael Stich — aaah, John McEnroe — oooh, Ilie Nastase — uiuiui, Mansour Bahrami — yippie. Wie, Sie kennen Mansour Bahrami nicht? Sollten Sie aber.
Vom späten Nachmittag an gab's was zu gucken: Zuerst eine flotte Übungsstunde für einige Kids mit Michael Stich, dann ein kleines Match zwischen dem Ballkünstler Mansour Bahrami und dem Altmeister und früheren Enfant Terrible Ilie Nastase. Der scheint mit zunehmender Leibesfülle zahm geworden zu sein. Was aber nichts an seinem Können geändert hat. Danach stand das Hauptmatch des Abends zwischen Stich und McEnroe auf dem Programm, und am Ende traten im altersgemischen Doppel Stich/Nastase gegen McEnroe/Bahrami an.
Show vom Feinsten
Als die 4.800 ZuschauerInnen die Stadthalle verließen, war eines klar: Die beiden älteren Herrschaften waren die Stars des Abends. Gegen Bahramis Schlagrepertoire kommt kein As der Weltrangliste an: Gegen seine Rückzieher-Schmetterbälle, Durch-die-Beine-Returns, Ballon-Verteidigungen von hinter der Bande oder unvermutete Partnerwechsel verblaßte das Jungmännertennis der Weltrangliste zum Sport. Das war Show vom Feinsten. Und das Publikum trampelte und quietschte vor Vergnügen.
Doch davor stand die Arbeit Stich gegen Big Mac. Ein Schaukampf nur, also nichts, wofür die Spieler Punkte sammeln konnten. Soll sich aber niemand einbilden, das hieße automatisch Luschentennis. Es machte schon einen ziemlich ernsten Eindruck, was die beiden Weltklassespieler auf den Teppich der Stadthalle legten.
„Das ist meine letzte Saison“, hatte John McEnroe noch vor dem Spiel gesagt. Auf dem Platz machte er allerdings nicht den Eindruck des elder sportsman kurz vor der Verrentung. Im ersten Satz dominierte er eindeutig gegen den jüngeren Stich. Der fand sich nur mühsam zurecht und wurde ein ums andere mal vom variablen Spiel McEnroes übertölpelt. Da half auch das rhythmische Klatschen der Zuschauer nichts, als der Elmshorner aus Elmshorn bei Hamburg im fünften Spiel bei eigenem Aufschlag ruckzuck 0:40 zurücklag. McEnroe aus New York (Amerika) schaffte das erste Break, und als er dann bei eigenem Aufschlag zu null vornelag und ausnahmsweise statt seiner treibenden Topspin-Schläge mal einen unterschnittenen Ball spielte, da war Stich so erschrocken, daß er ihn gleich ins Netz haute. Den ersten Satz schaukelte der Amerikaner souverän nach Hause, und man fragte sich, wie Stich das Ziel erreichen will, wieder in die Top Ten zu kommen.
Die Sympathien waren durchaus verteilt — ein Lob dem fairen Bremer Publikum. Die Spieler wurden gleichmäßig beklatscht und angefeuert. Richtig ein bißchen zu leiden hatten nur die armen LinienrichterInnen. Den Job wollte wahrscheinlich kaum jemand auf den Rängen geschenkt, was aber einige nicht daran hinderte, ordentlich zu pfeifen und sich lustig zu machen. „Och“, sagte eine Linienrichterin in der Pause, „das macht uns nichts aus. Wir sind alle ausgebildete Schiedsrichter.“ Ob sie nicht aufgeregt seien, weil McEnroe ja für seine Schimpftiraden bekannt sei? „Es ist schon was Besonderes, hier zu stehen“, erzählt sie. „Was das Meckern betrifft, haben wir unsere Anweisungen. Wir zeigen die Entscheidung nochmal an, und dann soll sich der Spieler mit dem Schiedsrichter unterhalten.“
Im zweiten Satz wurde McEnroe schlampiger, und Stich strengte sich ein bissel mehr an. Dabei kam allerdings nicht mehr als ein fröhliches Wechselspiel von Break und Rebreak heraus, und am Ende stand der Tiebreak. Da gings wie das Brötchenbacken: einszweidreivierfünfzunull für McEnroe. Ein Pünktchen für Stich, und dann machte Big Mac ein Ende und siegte 6:3 und 7:6.
Können Sie sich das Publikum vorstellen, als Bahrami sich vor Beginn des Doppels das Hemd vom Leibe riß — und das erste Spiel im Werder-Trikot Nummer neun absolvierte? Eben. Und so gings munter weiter: Vier Tennisbälle in der Hand und dann mit einem Flummi aufschlagen, in der Spielpause den Fotoapparat fürs Gruppenbild rausholen, und wenn der eigene Mann aufschlägt, das Netz runterdrücken. Mansour Bahrami wirft sich einem Ball entgegen und schaufelt ihn noch übers Netz, wird wieder angespielt, hüpft auf dem Bauch ein Stückel weiter, erwischt den Ball natürlich noch. Und so gehts vier, fünfmal. Bahrami hoppelt immer einen halben Meter weiter — und das Publikum tobt. Als ein Zuschauer sich vor dem Ende aus der Halle schleichen wollte, rief ihm Bahrami hinterher: „Excuse me. Going? But we–re not finished.“ Unter dem Gelächter der ZuschauerInnen trollte sich einer der ihren rotohrig. Am Ende hatten Stich und Nastase gewonnen, aber das hat eigentlich niemanden interessiert. Jochen Grabler
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