piwik no script img

Frohes Fest

■ Experiment gelungen: Ohnsorg Theater mit Turrinis "Josef un Maria" bei Karstadt

bei Karstadt

Zähne aufeinanderbeißen und lächeln, heißt es bis Heiligabend für die Angestellten im Einzelhandel. Im Kaufhaus-Restaurant bei Karstadt in der Mönckebergstraße meldet das Ohnsorg Theater schon jetzt mit Josef un Maria von Peter Turrini leise Kritik zum Fest an. Ohnsorg Dramaturg Hartmut Cyriacks übersetzte das Stück aus der Wiener Mundart ins Plattdeutsche und in Hamburger Verhältnisse. In einer in pink gehaltenen Werbelandschaft, die tags die Kauflust der Kundschaft reizt, spielt nach Ladenschluß Christine Brandt die Putzfrau Maria und Willem Fricke den Wachmann Josef. Während die andern feiern, verrichten sie im leeren Kaufhaus ihre Arbeit.

Vom Band werden noch die letzten geschmacklosen Geschenkideen angepreist. Maria schrubbt, Josef wacht. Beide haben niemand, mit dem sie den Heiligabend teilen könnten. Zunächst reden sie völlig aneinander vorbei, was auf Plattdeutsch besonders verfremdend wirkt. Liest er aus seiner Arbeiterzeitung, kontert sie mit Neuigkeiten aus dem Kummerkasten ihrer Zeitschrift. Sie genehmigen sich ein paar Cognacs, erinnern, während sie sich vorsichtig und beinahe schmerzhaft langsam näherkommen, aufregendere Tage: Maria ihre Zeit als Varieté-Tänzerin, Josef seine politisch aktive Zeit. Nachdem sie auf ihre Brüderschaft getrunken, ausgelassen Tango getanzt und sich sogar beschenkt haben, verkriechen sie sich zusammen unter einer Biberdecke - das Stück ist aus, und ob es ein Happy End für eine Nacht oder für länger gibt, spielt keine Rolle mehr. Fast erleichtert ist man, daß die beiden es überhaupt schafften, ihren Alltag zu sprengen und ihre eigene Art von Feier zu zelebrieren.

Trotz rührender Momente vollbrachten Christine Brandt, Willem Fricke und Regisseur Wilfried Dziallas in der für das Ohnsorg ungewohnten Umgebung kein rührseliges Krippenspiel und schon gar kein Revolutionstheater. Doch die Kombination Turrini, Ohnsorg und Karstadt im Dunkeln hinterläßt einen solchen Haufen von Widersprüchen im Kopf, der das Publikum weit länger beschäftigt als der Heimweg dauert. Julia Kossmann

Karstadt Mö, bis Ende November

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen