: Grüner Punkt kein Weg
■ 3. Müllanhörung: Wer am Sammeln Geld verdient, kann nicht für Müllvermeidung sein
17.000 Tonnen recycletes Kunststoff können derzeit auf dem Markt in der Bundesrepublik verkauft werden, als Parkbank, Zaun oder Schallschutz, allein 800.000 Tonnen werden ab 1995, wenn die letzte Stufe der Verpackungsordnung in Kraft tritt, in Deutschland jedes Jahr gesammelt werden. Wohin damit?
Die Vertreterin des Dualen Systems Deutschland (DSD), Edelgard Bially, hatte gestern keinen leichten Stand auf der 3. Müll-Anhörung der Angestelltenkammer. Das Unternehmen kassiere über den grünen Punkt bis zu sechs Pfennig pro Verpackung ab, und der Müll ist damit immer noch nicht aus der Welt, kritisierten AbfallexpertInnen aus Behörden, Verbänden und auch aus der Wirtschaft. Jahrelang, so klagte beispielsweise der Vertreter einer Bremer Kaffee-Rösterei, habe sich sein Unternehmen bemüht, bei der Verpackung auf Aluminium zu verzichten. Jetzt ist das Alu –raus, und der Kaffee-Röster zahlt nicht mehr 800 Mark je Tonne Alu-Abfall, sondern 3.750 Mark pro Tonne Kunststoff.
Der grüne Punkt sei deshalb auch nichts anderes als ein „Scheinheiligenschein“, kritiserte Olaf Bandt vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Die Industrie müsse zur Müllvermeidung gezwungen werden. Die Verpackungsverordnung habe bei den Umverpackungen „bis zu 100 Prozent Müllvermeidung“ gebracht, referierte Bandt, so müsse es auch für die übrigen laufen.
Umwelt-Staatsrat Uwe Lahl stimmt im Prinzip zu, forderte aber „mehr Ehrlichkeit“ in der Diskussion um die Müll-Vermeidung: „Das heißt nichts anderes als Wachstums-Reduzierung. Da gehen die Wertstoffe durch die black-box der Volkswirtschaft.“ Die Verpackungsverordnung sei „nicht unser Wunschkind gewesen“, erklärte Lahl. „Aber man muß den Tiger reiten“, um die Steuerungsfähigkeit in der Müllpolitik zu erhalten.
Außerdem fehle es an Alternativen. Bremen habe sich politisch verpflichtet, in Zukunft mit nur einer Müllverbrennungsanlage auszukommen, auf der Deponie sei nur noch begrenzter Lagerplatz. „Wo wollen sie hin mit 20.000 bis 30.000 Tonnen Wertstoffen?“ Dreizehn Millionen kostet die DSD allein das verdichtete Aufstellen und Leeren von Wertstoffcontainern, die es aus dem grünen Punkt finanzeiren will. „Glauben Sie, wir hätten im Haushalt so viel Geld dafür“, fragte Lahl in die Runde.
Edgar Gerad als Vertreter der Recycling-Höfe brachte das Hearing dann auf die zukunftsweisende Fährte. „Wenn wir hier über Müllvermeidung reden, dann müssen wir nicht nur über Verpackungen reden, sondern auch darüber, was in den Verpackungen drin ist.“ Der Verpackungsinhalt sei schließlich der Müll von morgen. Sein Problem: Die Recycling Höfe sind die Kinder der Müll- Vermeidungs-Idee, jetzt verdienen sie selbst am Sammeln und Sortieren. „Und wir kriegen das Geld mengenabhängig.“ Wie die DSD auch: Müllvermeidung läuft gegen die wirtschaftlichen Interessen der DSD, in dem vor allem Händler und Verpackungsindustrie als Gesellschafter vertreten sind. mad
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