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■ Das David Murray Trio im Quasimodo

Bereits vor längerer Zeit in Berlin ansässig geworden, äußerte der schwarze Bassist Sirone: „Ich mag Europa. Ich schulde Europa Dank. Es war nämlich Europa, das den Jazz zur Kunst erhob und uns damit auch auf die großen Bühnen stellte.“ Zuviel der Ehre? Wie auch immer! Es war die Free Music Production (FMP), die gerade Sirone, aber auch vor über anderthalb Jahrzehnten den völlig unbekannten David Murray beim „Workshop Freie Musik“ bzw. „Total Music Meeting“ – 1976 noch im alten Quartier Latin – auftreten ließ und so zum Anstoßstein für die Weltkarriere des kraftvollen Saxophonisten wurde.

1935 geboren, gehört David Murray zu den wenigen zeitgenössischen Jazzern, die sich nicht nur auf John Coltrane beziehen, sondern ebenso auf Charlie Parker und Sonny Rollins. Wer den Saxophonisten und Baßklarinettisten deshalb auf die Traditionalistenschiene schieben möchte, hat ihn entweder nie gehört oder mit Sicherheit was am Ohr. Denn Murray's gewaltiger Sound auf den „Reed“ beschwört den Free Jazz. Wegbereiter Albert Ayler nicht minder. Den tönenden Beweis, bis in die Atonalität driftend, erbrachte er 1976 mit seiner ersten Platte „Flowers for Albert“. Bereits vorher, aber auch hier, zog Bassist Fred Hopkins bei Murray an den Saiten. Bezeichnenderweise in keinem Jazzlexikon zu finden – die werden ja meist von Weißen geschrieben – gehört er, getreu dem Miles-Davis-Aussspruch: „Der Bass ist das Instrument der Schwarzen“, zu den großen „motorischen“ Spielern dieses Instruments. Auf Koordination und Balance im musikalischen Geschehen erpicht, versteht sich Fred Hopkins auf das swingende „Pickin'“ à la Ron Carter, beherrscht aber ebenso bogengewandt die Streichtradition. Auch er wurde international durch europäische Festivalauftritte bekannt.

Bereits 1976 Mitglied des World Saxphone Quartets, tritt Murray jedoch ebenso mit Johnny Dyani und Andrew Cyrille auf. „In unserer Musik ist die Trommel wie die Mutter oder der Herzschlag“, meint Cyrille, der klassische Perkussion, aber auch afrikanische Musiken vor Ort studierte. Wer schon im Alter von zwölf Jahren mit Cecil Taylor zusammenarbeitet – der Pianist war übrigens für ein Jahr Gaststipendiat des DAAD in Berlin –, dem fallen Verbindungen zur europäischen Free-Bewegung, also auch zu Peter Brötzmann, nicht schwer. So war Cyrill nicht nur mit seiner Gruppe „Maono“ auf Europatournee, sondern tauchte auch auf dem „Workshop Freie Musik“ auf.

Seit 1982 spielt David Murray regelmäßig in Big Bands, wie er selbst auch ein Oktett formiert, mit dem er besonders in Europa – nämlich auf dem New Jazz Festival in Moers – triumphiert.

Doch eigentlich ist und bleibt der Saxophonist der geborene Combo-Musiker. So erscheint die Wiederbegegnung mit Cyrille und Hopkins nur folgerichtig. Ist die Europatournee des David Murray Trios nur eine Rückkehr zu den Wurzeln? Black Power made in Europe? Hansdieter Grünfeld

Das David Murray Trio spielt am 16.11. ab 22 Uhr im Quasimodo.

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