: Braune Bürger in Uniform?
■ Major Helmuth Prieß (53), Sprecher des Soldatenarbeitskreises „Darmstädter Signal“ zur Beteiligung von Bundeswehrsoldaten an rechtsextremen Gewalttaten
taz: Herr Prieß, Sie arbeiten im Bundesheeresamt in Köln. Wie ist die Nachricht über die Beteiligung von Soldaten an rechtsextremistischen Gewalttaten von Ihren Kollegen aufgenommen worden?
Prieß: Seit der Regierung Kohl ist diese Armee einseitig informiert und entpolitisiert worden. Nach meinem Eindruck spielt dieses Thema keine große Rolle. Ich befürchte, daß man schnell wieder zur Tagesordnung übergeht.
Hat der Schatten von Weimar jetzt auch die Bundeswehr erfaßt?
Diesen Vergleich würde ich nicht ziehen. Es ist aber leider so, daß die Bundeswehr schon immer auf Grund ihrer an Law und Order orientierten Denkweise reaktionäre und rechtsextreme Randgruppen angezogen hat. Die Sensibilität gegenüber den Verbrechen des Dritten Reichs ist in der Bundeswehr nicht ausreichend entwickelt worden. Es darf nicht vorkommen, daß ein Oberst anläßlich einer Verabschiedung höherer Stabsoffiziere einem General ein Bild schenkt, auf dem der Spruch steht: Die deutsche Rasse muß wiedervereinigt werden.
Wo und wann ist das passiert?
Vor kurzem in Düsseldorf in einem Offizierskasino. Es gibt in der Bundeswehr eine antidemokratische Traditionspflege. Nach den Hitler-Generälen Eduard Wohlrat Christian Dietl und Werner Mölders sind Kasernen benannt. Da kann man kaum erwarten, das junge Soldaten Distanz zum Rechtsradikalismus entwickeln.
Sind Angehörige der Bundeswehr anfälliger für rechtsextremistische Ideologien?
Das ist schwer zu sagen. Ich gehe aber davon aus, daß diese 24 bekanntgewordenen Fälle nur die gravierendsten waren. Die mußten vermutlich gemeldet werden, weil sie regional schon bekanntgeworden waren. Ich nehme an, daß noch mehr, wenn auch nicht ganz so Schlimmes, passiert ist. Es gibt ja auch sprachliche Entgleisungen – wenn mir beispielsweise ein Vorgesetzter sagt: „Beeilen Sie sich mit der Arbeit, Herr Prieß, denn Arbeit macht frei.“
Zu Beginn der 70er Jahre riefen K-Gruppen dazu auf, die Bundeswehr zu unterwandern. Erleben wir jetzt einen Marsch durch die Institution Armee von rechts?
Ich kann mir vorstellen, das rechte Gruppen so etwas propagieren. Deshalb ist es wichtig, daß die politische und militärische Leitung der Bundeswehr konsequent reagieren. Die Berufsoldaten, die an Übergriffen beteiligt waren, müssen so schnell wie möglich an die frische Luft gesetzt, andere disziplinarrechtlich verfolgt werden. Die freiwilligen Annahmestellen und die Offiziersprüfstellen müssen in verstärktem Maße den politischen Hintergrund der Bewerber prüfen. Außerdem muß die politische Bildung innerhalb der Bundeswehr ausgebaut werden. Ich würde mir wünschen, daß Bundeswehreinheiten Patenschaften für Asylbewerberheime übernehmen. Soldaten sind zum aktiven Eintreten für die demokratische Grundordnung verpflichtet. Hier könnte die Armee beispielgebend sein. Interview: CC Malzahn
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